In St. Louis, New York oder Charlotte hat Titas Stremavicius schon Schachturniere gewonnen. In Deutschland nie – was mit dem Umstand zusammenhängt, dass er vor der 27. OIBM erst einmal in Deutschland gespielt hat. Am Tegernsee ging es für den Großmeister aus Litauen prima los: Vier Partien, vier Punkte. Nach der vierten Runde nahm sich Stremavicius die Zeit für ein Interview.

Titas Stremavicius. | Foto: Sandra Schmidt

Titas, zum ersten Mal am Tegernsee?

Ja, es ist tatsächlich mein erstes Mal hier, und es ist erst das zweite Mal insgesamt, dass ich in Deutschland spiele. Von Litauen aus ist es zwar nicht so weit, aber irgendwie hat es sich bisher nicht ergeben.

Wie kam es jetzt zu deiner Teilnahme?

Ein Schachfreund von mir, auch aus Litauen, erwähnte das Turnier. Ich schaute es mir an, fand die Kontaktdaten und schrieb eine E-Mail. Sebastian antwortete binnen einer halben Stunde. So kam der Kontakt zustande. Jetzt bin ich hier.

Wie gefällt es dir?

Der erste Eindruck war nicht so toll, weil der Bus am ersten Tag völlig überfüllt war. Aber als ich dann anfing, zum Spielort zu laufen, wurde es viel ruhiger und angenehmer. Auch wenn der Weg etwa 50 Minuten dauert, ist es sehr schön. Der Weg führt am See entlang, die Natur ist wunderbar.

Und schachlich?

Ich versuche einfach, interessante Partien zu spielen. Das Turnier ist ein bisschen langsamer, eine Partie pro Tag, meine Energie sollte ausreichen. Aber im Schach weiß man nie. Ein schlechter Zug kann alles ruinieren.

Bisher kannst du zufrieden sein.

Es läuft gut, auch wenn es schon einige brenzlige Momente gab. In der ersten Runde war ich einer der Letzten, die noch gespielt haben, und heute war ich auch mal in einer schlechteren Position. Aber die Ergebnisse stimmen.

Als Schachfan und Fan der deutschen Nationalmannschaft muss ich dich auf die Schacholympiade ansprechen. Dritte Runde, Litauen gegen Deutschland, Ihr habt überraschend gewonnen, und du hast Vincent Keymer besiegt. Wie lief das Match aus eurer Perspektive?

Wir waren Außenseiter, ganz klar. Die deutsche Mannschaft war an allen vier Brettern deutlich stärker, vielleicht im Schnitt um 150 Punkte. Es war ein großer Überraschungssieg für uns. Viele Dinge mussten gut laufen, um das Match zu gewinnen. Die große Wende ganz am Ende an Brett drei hat das Match gedreht. Mein Sieg gegen Vincent kam schnell zustande. Ich hatte mir sagen lassen, er sei krank und nicht in Topform. In der Partie spielte ich eine Eröffnung, in der er hätte remis machen können, aber ich bin davon ausgegangen, dass er das vermeiden würde. Bis ganz zum Schluss ist er dem Remis ausgewichen, dann der Fehler, …c5-c4, und plötzlich war die Partie für mich gewonnen.

Ist Vincent der höchstbewertete Spieler, den du je besiegt hast?

Ja, mit einigem Abstand. Das war ein Karrierehighlight für mich. Hinterher bekam ich ein paar Gratulationen, aber auf den Ausgang dieses Mannschaftsturniers hatte unser Sieg wenig Einfluss. Deutschland kam unter die ersten 10, wir standen am Ende auf Platz 41.

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Bist du Schachprofi?

Im Moment spiele ich mehr oder weniger Vollzeit, aber ich plane eine Veränderung. Ich habe vor zwei Monaten meine Greencard für die USA bekommen und will bald zurückkehren. Vor etwa vier Jahren habe ich in Dallas meinen Abschluss in Finanzen und Wirtschaft gemacht und spiele seither Schach und Poker. Jetzt möchte ich zurück in die USA und wahrscheinlich langfristig mehr in Richtung Poker gehen.

Ist Poker unter Schachspielern noch so verbreitet wie vor einigen Jahren?

Nicht mehr ganz so sehr, aber es gibt nach meiner Wahrnehmung weiter eine große Zahl von Schachspielern im Poker. Genaue Zahlen dazu gibt es nicht, Poker ist in weiten Teilen online und anonym, insofern weißt du von vielen Schachspielern nur, dass sie Poker spielen, wenn sie davon erzählen. Ich mag das Spiel jedenfalls, es ähnelt in mancherlei Hinsicht dem Schach.

Was sind deine Pläne nach dem Tegernsee?

Direkt zurück in die USA. Dort spiele ich erst in einem Rundenturnier und danach bei den US Masters, dem wohl stärksten Open in den Staaten. Dieses Jahr wird auch Fabiano Caruana dabei sein, was das Turnier noch interessanter macht. Fabiano spekuliert auf Punkte für den FIDE Circuit, über den er sich fürs Kandidatenturnier qualifizieren kann.

Stremavicius‘ Drittrundensieg, kommentiert von ihm selbst:

Von den sechs Spielern, die das Turnier vor der fünften Runde mit 100 Prozent der Punkte anführten, hat keiner den fünften Sieg nachgelegt. Drei Unentschieden in den drei Spitzenpartien hatten zur Folge, dass vor der sechsten Runde die Spitze bei den 27. Offenen Internationalen Bayerischen Meisterschaften zusammengerückt ist. Für viele Spielerinnen und Spieler war es der längste von neun Schachtagen am Tegernsee. An die fünfte Runde schloss sich das traditionelle Blitzturnier an (Bericht dazu morgen).

Auch durch die Brille oder mit der Lupe betrachtet, ergibt die Tabelle kein eindeutiges Bild: Nach fünf Runden mag sich niemand vom Feld absetzen, ein Favorit auf den Turniersieg zeichnet sich nicht ab. In der sechsten Runde werden die zehn punktgleich Führenden an den ersten fünf Brettern aufeinandertreffen. | Foto: Sandra Schmidt

Zehn Spieler führen das Feld mit 4,5 Punkten aus 5 Partien an, verfolgt von 21 Spielern und einer Spielerin mit 4 Punkten. Die Spielerin ist die ehemalige U10-Weltmeisterin Nutakki Priyanka aus Indien, die sich gegen das Lübecker Talent Levi Malinowski durchsetzte und damit Lena Georgescu an der Spitze der Frauenwertung ablöste.

Levi Malinowski stellte einen der schönsten Züge der fünften Runde aufs Brett (35.Txd4? cxd4 wäre gewonnen für Schwarz), aber das brachte seine Gegnerin nicht aus dem Gleichgewicht.

Nutakki Priyanka trifft jetzt auf den georgischen Schnellspieler Giga Quparadze, der in der fünften Runde einen neuen Bedenkzeitrekord aufstellte. 1 Stunde und 41 Minuten zeigte Quparadzes Uhr, als nach 36 Zügen sein Gegner Klaus Zeier aufgab.

Nutakki Priyanka hat die Drittrundenniederlage gegen Dmitrij Kollars offenbar weggesteckt. Mit 4/5 führt sie jetzt die Frauenwertung an. | Foto: Sandra Schmidt

Lena Georgescu erlebte einen bitteren Abend. Gegen Roven Vogel spielte die Schweizerin eine blitzsaubere Partie, in der der Mehrbauer des Großmeisters nur symbolischen Wert hatte. Aber auch mit einem Blick auf seinen Zeitvorteil knetete der Dresdner das Endspiel ausgiebig, bis sich auf Seiten seiner Gegnerin Ungenauigkeiten einschlichen. Nach 94 Zügen hatte Vogel sich den vollen Punkt gesichert und mit den bis dahin Führenden gleichgezogen.

Über h4, h5, h6 bis nach g7 ließ Eltaj Safarli seinen h-Bauern laufen. Titas Stremavacius machte derweil gesunde Züge – und stand gesund.

Als erste der drei Spitzenpartien war die zwischen Eltaj Safarli und Titas Stremavicius beendet. Safarlis Anti-Sizilianisch-Rezept sah gefährlich aus, aber es kostete den Aseri einige Zeit, seinen h-Bauern über h6 bis nach g7 laufen zu lassen. Diese Zeit nutzte Titas Stremavicius, um sich zu entwickeln und seinerseits Drohungen aufzustellen. Bevor die Angelegenheit nach hinten losgeht, sandte Safarli nach seinem 13. Zug ein Remisangebot über den Tisch, das Stremavacius annahm.

Ein Schock nur für die Zuschauenden im Internet. Kollars hat nicht den Springer g4 eingestellt. Wahrscheinlich war es ein Übertragungsfehler.

Die Partie zwischen Elham Amar und Dmitrij Kollars am ersten Brett bereitete nur denen einen Schockmoment, die die Live-Übertragung im Internet verfolgten. Dort sah es aus, als habe Kollars im 26. Zug die Partie eingestellt. Aber es wird sich um einen Übertragungsfehler gehandelt haben. Auf dem Brett war das Gleichgewicht zu keiner Zeit gestört. In einem ausgeglichenen Bauernendspiel schlossen die Kontrahenten Frieden. Nach Wertung führt Kollars als einziger Spieler mit einer 2700-Performance das Feld an.

Im Duell zwischen Marius Deuer und Rinat Jumabayev blieben einige trickreiche Abwicklungen hinter den Kulissen. Auch diese Partie mündete in ein ausgeglichenes Endspiel mit ungleichfarbigen Läufern, in dem sich die Kontrahenten nach 32 Zügen auf remis einigten. Deuer ist jetzt Wertungszweiter mit einer 2694-Performance.

GM Jacek Stopa. | Foto: Sandra Schmidt

Dank dieser drei Unentschieden war für die Spieler mit bis dahin 3,5 Punkten die Tür offen, mit den Führenden gleichzuziehen. Nicht nur der bereits erwähnte Roven Vogel nutzte diese Chance, auch ein polnisches Trio: Die GM Kacper Piorun, Bartlomiej Heberla und Jacek Stopa landeten starke Angriffssiege, die sie auf 4,5/5 katapultierten. In der sechsten Runde werden an den fünf ersten Brettern die zehn Führenden unter sich sein.

16.Sxd5! nebst Dh5+ und Lxd5+ mit riesigem Angriff war für Problemlöse-Weltmeister Kacper Piorun eine einfache Aufgabe.

Momente der 5. Runde:

Ein schönes Finish von Keyvan Farokhi, das ihm unmittelbar die Partie gewann. Mit zwei Bauern weniger wollte Schwarz nicht weiterspielen.

Keymerbesieger Gerlef Meins zog gegen Dietmar Fauth den Kürzeren, eine großartige Partie, von der morgen an dieser Stelle noch zu reden sein wird. 19…Sxe5! (auf e5 stand ein Bauer) war für Weiß der Anfang vom Ende.

1.a3 g6 – so fing die Partie zwischen Wolfgang Jekel und Ioannis Papadopoulos an. Schwarz gewann, und Turnierüberraschung Jekel fiel ins Feld zurück.

Bodens Matt, wer kennt es nicht – auch dieses Werk wird morgen an dieser Stelle eine Rolle spielen.

Schönste Partie des Tages? Robert Heigermoser hat zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Beitrags noch keine Ambition in Sachen Schönheitspreis erkennen lassen.

Vor jeder Partie einen einstündigen Spaziergang. Das habe schon Botwinnik empfohlen, sagt Rinat Jumabayev – und hält sich daran, am Tegernsee umso lieber. Der kasachische Großmeister genießt die Aussicht auf den See und die Schönheit der Natur, bevor ab 16 Uhr sein ganzer Fokus dem Schachbrett gilt. Nach der dritten Runde fand Jumabayev die Zeit für ein Interview.

Rinat Jumabayev. | Foto: Sandra Schmidt

Rinat, willkommen zurück. Du hast schon 2017 hier gespielt.

Ja, das war eine lustige Geschichte.

Erzähl!

Wir waren fünf Spieler, die zu spät zur ersten Runde kamen, weil unser Flug aus Korsika in letzter Minute gestrichen wurde. Wir hatten vorher ein Turnier in Bastia gespielt, und als unser Morgenflug abgesagt wurde, mussten wir bis abends warten, um nach Wien zu fliegen. Die Nacht verbrachten wir in Wien und fuhren am nächsten Morgen weiter nach München. Letztendlich kamen wir eineinhalb Stunden vor Beginn der zweiten Runde an, aber die erste Partie hatten wir verpasst.

Trotz der damit verbundenen kampflosen Null hast du dich nach vorne gekämpft.

Sechs Partien in Folge gewonnen, fast sogar die siebte. Doch mein Gegner rettete sich, und damit war ich aus dem Kampf um den Turniersieg ausgeschieden.

Auch diesmal war es mit deiner Ankunft knapp.

Eigentlich hatte ich das Turnier nicht geplant. Direkt vor der 27. OIBM habe ich zwei Open in Norwegen und Frankreich gespielt. Ich hatte schon einen Rückflug nach Hause gebucht, als Sebastian Siebrecht mich kontaktierte. Dann habe ich spontan meine Pläne geändert. Jetzt bin ich hier.

Und?

Die Organisatoren geben sich viel Mühe, den Spielern eine angenehme Atmosphäre zu bieten. Es sind über 500 Spielerinnen und Spieler hier. Ich fühle, wie sehr unser Sport hier geschätzt wird. Die Atmosphäre ist fantastisch, und es ist schön zu sehen, wie viele Menschen hier Schach lieben. Ich hoffe, dass ich in Zukunft wiederkommen kann.

Wie sieht dein Tagesablauf während des Wettbewerbs aus?

Dieses Mal achte ich mehr auf die Umgebung und die Schönheit der Natur, was ich 2017 nicht so bewusst wahrgenommen habe. Vor jeder Partie unternehme ich einen Spaziergang und genieße die Aussicht auf den See. Außerdem glaube ich, dass mir die Spaziergänge helfen, mich auf die Partien einzustellen. Schon Botwinnik hat empfohlen, vor jeder Partie eine Stunde spazieren zu gehen. Das probiere ich jetzt aus und hoffe, dass es mir hilft, gute Ergebnisse zu erzielen.

Endstation Jumabayev: Für Fabiano Caruana war dieses Drittrundenmatch das letzte im World Cup 2021. | Foto: FIDE

Als Schachfan kann ich dir genau sagen, wann du zum ersten Mal groß auf meinem Radar aufgetaucht bist: als du 2021 im World Cup Fabiano Caruana besiegt hast. Dein größter Sieg bisher?

Der World Cup 2021 war wohl eines meiner besten Turniere. Das Match gegen Caruana war besonders, aber es gab auch andere, zum Beispiel gegen Alexander Motylev. Auf das Match gegen Caruana in der dritten Runde hatte ich mich einen Monat lang vorbereitet. Ich war mir sicher, dass ich auf ihn treffen würde.

Einen Monat Vorbereitung – auf die dritte Runde?!

Ja, ich hatte das Gefühl, dass ich die erste Runde gegen einen schwächeren Gegner, einen FIDE-Meister, gewinnen sollte. In der zweiten Runde würde ich dann auf Motylev treffen. Aber ich wollte vor allem sicherstellen, dass ich für die dritte Runde gegen Caruana bereit bin. Wie es dann so oft ist, spielte Caruana eine Variante, die er vorher noch nie angewendet hatte, sodass vieles meiner Vorbereitung nicht zum Einsatz kam. Gewonnen habe ich trotzdem. Bestimmt war es ein Faktor, dass Caruana sich nicht warmspielen konnte. Sein Gegner in der Runde zuvor musste wegen eines positiven Covid-Tests aussetzen. Das war ein Vorteil für mich.

Im kasachischen Schach scheint einiges in Bewegung zu sein. Wie geht es unserem Sport in deiner Heimat?

Darüber möchte ich lieber nicht sprechen. Meine Zusammenarbeit mit dem kasachischen Schachverband habe ich beendet und bin nicht mehr Teil des Nationalteams. Ich konzentriere mich nur noch auf meine eigenen Ziele und vertrete mein Land auf eigene Faust international.

Hier bist du gut ins Turnier gestartet. Drei Runden und drei Siege – zufrieden?

Ja, die ersten Runden liefen sehr gut. Heute, in der dritten Runde, hatte ich etwas Glück. Mein Gegner hat in der Zeitnotphase Fehler gemacht, die mir geholfen haben, die Initiative zu übernehmen. Gestern spielte ich eine schöne, strategische Partie, die wirklich Spaß gemacht hat (siehe kommentierte Partie unten). Wegen solcher Partien liebe ich das Schachspiel.

Dein Plan für die kommenden Tage kann nur der Turniersieg sein.

Natürlich, aber das wird nicht leicht. Viele starke Spieler hier wollen ebenfalls gewinnen. Wenn ich jedoch weiterhin auf dem Niveau der ersten drei Partien spiele, glaube ich, dass ich eine gute Chance habe, das Turnier erfolgreich abzuschließen.

Jumabayevs Zweirundenpartie, von ihm kommentiert:

 

In der dritten Runde der Offenen Internationalen Bayerischen Meisterschaften am Tegernsee ging es zwischen dem österreichischen FIDE-Meister Gunnar Schnepp und dem deutschen Supertalent Leonardo Costa hoch her. Schnepp opferte erst eine Figur, dann noch eine und setzte dem Münchner arg zu. Doch nach ein paar Ungenauigkeiten gelang es Costa, das Blatt zu wenden und sich den Sieg zu sichern, nachdem Schnepp ein Dauerschach verpasst hatte (siehe auch Bericht zur dritten Runde). Gunny nimmt die Partie intensiv unter die Lupe.

Offenbar reicht es dem Schach-YouTuber nicht, seine drei Schachfreunde am Tegernsee zu coachen und zwischendurch Videoanalysen aufzunehmen. Gunny will auch selbst spielen. Er kündigt an, er wolle am Mittwoch am Blitzturnier teilnehmen.

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Die Partie zwischen dem ungarischen Spieler Koppany Geher (Elo 2175) und dem deutschen Großmeister Roven Vogel (Elo 2559) hatte es Gernot „Gunny“ Leusch angetan, speziell das mutige, kreative Läuferopfer des Außenseiters, das auch im Bericht zur zweiten Runde vorkommt. Gehers Mut führte zu einem komplexen Gefecht, in dem sich am Ende doch die Klasse und nicht zuletzt die starken Nerven des Großmeisters durchsetzten.

Im neuen Video schaut Gunny auch auf seine Reise- und Trainingsgruppe. Darian Gernhuber hat seine zweite Partie gewonnen und spielt oben mit. wird nun unter den ersten 30 Brettern vertreten sein. Florian Gutfleisch ist trotz Autopanne doch noch am Tegernsee angekommen und hat sogleich einen Sieg gelandet. Nur Nick Merdian musste eine Niederlage hinnehmen.

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Die am Tegernsee übliche Bedenkzeit „Fischer kurz“ war in der zweiten Runde für Großmeister Giga Quparadze viel zu lang. Mit 1 Stunde 30 Minuten auf der Uhr hatte der Georgier (wie alle anderen) die Partie begonnen. Als sie nach 32 Zügen beendet war, zeigte Quparadzes Chronometer mehr Zeit als zu Beginn: 1:33,47.

Bedenkzeit brauchte Giga Quparadze an diesem Sonntag nicht. | Foto: Sebastian Siebrecht

Ganz anders auf der anderen Seite des Brettes, wo Ingo Lindam 47 Sekunden geblieben waren, als er sich geschlagen gab. Im Gefecht zuvor hatte der OIBM-Stammgast aus Köln vergeblich nach Kompensation für einen Minusbauern gesucht, während Quparadze fast jeden Zug herausblitzte und schließlich das Endspiel gewann.

Die weiße Sache war schon fast hoffnungslos, trotzdem war 31…Txg5 ein schöner Abschluss von Kacper Piorun.

Im Vergleich mit den anderen Turnierfavoriten war dieser leichte Vortrag die Ausnahme. Die Herren Großmeister mussten gegen starke Amateure für ihre vollen Punkte hart arbeiten. Und so gab es an den oberen Brettern in der zweiten Runde mehrheitlich nach und nach herausgespielte technische Siege zu sehen.

Erst ein Lächeln für die Fotografin, dann zeigte Boris Latzke gegen Bartlomiej Heberla Zähne. | Foto: Sandra Schmidt

Mehrheitlich, wohlgemerkt, nicht ausschließlich. Nachdem schon in der ersten Runde Alexander Naumann einen halben Punkt gelassen hatte, ging es in der zweiten zwei Großmeisterkollegen genauso. Bartlomiej Heberla kam gegen Boris Latzke aus Bebenhausen nicht über ein Remis hinaus, Matthias Womacka nicht gegen Bahne Fuhrmann vom Hamburger SK.

Eine theoretische Najdorf-Stellung, die wahrscheinlich beiden Kontrahenten bekannt war. Wer sich nicht so gut auskennt wie Malinowski und Goh, der nimmt erstaunt zur Kenntnis, dass Weiß hier nur mit 12.Dg3! um Vorteil kämpfen kann.

Außenseitersiege gab es trotzdem, nur eben nicht gegen Großmeister. Im Talent-Duell an Brett 26 besiegte der 14-jährige Levi Malinowski aus Lübeck (Elo 2089) den 15-jährigen FM Zi Han Goh aus Singapur (Elo 2319). An Tisch 19 triumphierte Joachim Beisteiner aus Österreich (2129) über FM Matthias Becker (2338) und im Schweizer Duell an Tisch 40 Sarah Hund (2008) über FM Teimur Toktomushev (2246).

Und wenn Schwarz den Turm nimmt? Dann bekommt Weiß mindestens schöne Kompensation. Dolzhykova muss unter anderem vorhergesehen haben, dass 25…exf5 26.De5 Tg8 27.gxf5 Dxf2? an 28.Kb1!+- mit der tödlichen Drohung 29.f6 scheitert.

Eine der schönsten Partien an den Livebrettern hat Kateryna Dolzhykova gespielt – gegen Bernhard Nagel vom SK Lasker Köln, der über weite Strecken der Partie taktisch auf der Höhe war und dazu beitrug, dass es ein sehenswertes Duell wurde. Dolzhykova war in erster Linie von ihrem Zug 25.Tf5 entzückt, nach dem zwei ihrer Figuren hängen. Sie wird nach der Partie zufrieden zur Kenntnis genommen haben, dass Schachfreund Computer goutiert, was die Großmeisterin gespielt hat.

Gäbe es am Tegernsee Kreativpunkte, Koppany Geher hätte mit 22.Lb5!? einige gewonnen.

57 Spielerinnen und Spieler führen nach zwei Runden das Feld mit zwei Punkten an, darunter 12 Jugendliche U18 oder jünger, 6 Senioren Ü60, 5 Frauen und nicht zuletzt 9 Großmeister inklusive aller Topfavoriten. Bis die Vertreter der 2500+-Riege aufeinandertreffen, wird es noch ein wenig dauern.

Lena Georgescu, 2/2, trifft in der dritten Runde auf die ebenfalls bei 100 Prozent stehende Kateryna Dolzhykova. | Foto: Sandra Schmidt

Gleichwohl hält die dritte Runde schöne Spitzenpaarungen bereit, zum Beispiel die am ersten Brett, wo sich Turnierfavorit Dmitrij Kollars mit den schwarzen Steinen der indischen Großmeisterin Nutakki Priyanka wird erwehren müssen. Jakob Weihrauch, Teil des Tegernsee-Septetts vom Hamburger SK, bekommt gegen Rinat Jumabayev die Chance auf einen Großmeisterskalp. Lena Georgescu und Kateryna Dolzhykova werden in der einzigen rein weiblichen Partie der 100-Prozentigen aufeinandertreffen. Dolzhykovas Lebensgefährte FM Samuel Weber, ebenfalls bei 2/2, wird nicht viel Zeit haben zuzuschauen. Er wird am sechsten Brett mit Schwarz gegen den Geheimfavoriten Roven Vogel alle Hände voll zu tun haben.

Corentin Rosin vom SC Noris-Tarrasch Nürnberg. | Foto: Sandra Schmidt

Alle Paarungen der dritten Runde

Mit 5,5/6 vorne, das hatte niemand erwartet, auch nicht Shreyas Royal selbst. Aber nun, da er vorne steht, will er dort nicht weggehen. Der 13-Jährige peilt den Turniersieg an und außerdem seine erste Großmeister-Norm. Ein Gespräch mit dem Überflieger nach seinem Sechstrundenremis:

Tabellenführer Shreyas Royal. | Foto: Sandra Schmidt

Shreyas, in der sechsten Runde hast du zum ersten Mal nicht gewonnen. Was ist passiert?

Er hatte mich mit einer Variante überrascht, die ich nicht erwartet hatte, mit der ich auch nicht vertraut war. Es ergab sich dann diese Konstellation, in der eine Zugwiederholung möglich war. Ich habe mich bewusst darauf eingelassen, weil ich nicht dachte, dass er die Züge wiederholen würde.  Er hat es dann doch getan. Aber ich bin nicht enttäuscht.

Ein halber Punkt gegen einen sehr starken Großmeister ist ja kein schlechtes Ergebnis.

Genau.

Was führt dich an den Tegernsee?

Meine Eltern haben mir vorgeschlagen, hier zu spielen. Ich sah, dass das Turnier sehr stark besetzt ist. Die OIBM wirkte wie ein Wettbewerb, der sich für mich lohnen könnte. Jetzt sind meine Mutter und ich hier.

Deine Eltern suchen die Turniere aus?

Im Sinne einer Vorauswahl. Sie zeigen mir Optionen. Die Entscheidung treffe ich.

Wie ist dein Eindruck bislang?

Sportlich läuft es prima. Den Spielsaal finde ich toll, umso mehr, wenn ich ihn damit vergleiche, wo andere Turniere stattfinden. Sehr hochwertig. Dazu die schöne Umgebung. Mit gefällt es hier.

Spielen deine Eltern Schach?

Meine Mutter kaum. Aber mein Vater ist derjenige, der mir Schach beigebracht hat. Er kennt sich ein wenig damit aus.

Du warst sechs, als er dir Schach gezeigt hat.

Außer der Schule hatte ich damals nichts zu tun. Ich war gelangweilt und bat meine Eltern, dass wir eine Beschäftigung für mich finden. Anfangs hauptsächlich Sport, körperliche Betätigung, Schwimmen zum Beispiel. Aber meine Eltern fanden, ich sollte auch etwas mental Herausforderndes tun. Gleich als Erstes brachte mein Vater mir Schach bei, so begann es.

Und?

Das Spiel hat mich auf Anhieb gefesselt. Ich bin dann zum Schulschach gegangen, trotzdem war es anfangs nicht mehr als ein Hobby. Aber als ich sieben war, kamen die größeren Turniere. Ich habe erstmals außerhalb Englands gespielt und mein Land bei der U7-Europameisterschaft der Schüler repräsentiert. Damals hatte ich nicht einmal eine Elozahl, bin aber trotzdem Zweiter geworden. Das gab mir Selbstvertrauen. Seitdem glaube ich daran, dass ich ein guter Spieler werden kann, und betreibe Schach ambitioniert.

Was verbindet dich mit Erkenschwick? Du spielst für den Schachclub dort, den SV Erkenschwick 1923.

Beim Turnier in Hastings habe ich Erkenschwicks Jugendleiter Dirk Broksch kennengelernt. In der letzten Runde spielten wir gegeneinander, hinterher haben wir ein wenig geredet und uns gut miteinander verstanden. Dirk erzählte mir von seinem Verein, so kam die Verbindung zustande. In Mannschaftkämpfen habe ich noch nicht für Erkenschwick gespielt, das hängt auch mit der Pandemie zusammen. Aber online war ich oft dabei. Dieses Jahr hat es endlich geklappt, dass ich die Erkenschwicker besuchen und meinen Vereinskollegen begegnen konnte. Das war sehr schön.

Sportlich bist du Erkenschwick eigentlich schon entwachsen.

Vielleicht ist das so. Aber ich mag die Atmosphäre dort, die freundlichen Leute, die Unterstützung. Insofern fühle ich mich in Erkenschwick gut aufgehoben.

Shreyas Royal zeigt Magnus Carlsen einen guten ersten Zug. | Foto: London Chess Classic

Vor einigen Jahren hast du gesagt, dass du mit 18 Weltmeister sein möchtest. Gilt das noch?

(Lacht) Ich war als Kind sehr ambitioniert. Und hatte auch noch nicht verstanden, wie schwierig Schach ist, was damit zusammenhing, wie leicht es mir anfangs fiel. Als Kind habe ich keine Rückschläge erlebt, einfach eine Partie nach der anderen gewonnen. Jetzt sehe ich die Dinge realistischer. Weltmeister mit 18 ist quasi unmöglich. Überhaupt Weltmeister zu werden, ist extrem schwierig. Aber dieses Ziel würde ich nicht abschreiben. Mindestens will ich ein sehr starker Großmeister werden. Die Top 10 der Welt sind mein Ziel und, wer weiß, vielleicht schaffe ich es ja bis zur Weltmeisterschaft. Versuchen will ich es auf jeden Fall.

Wie vereinbarst du deinen Fokus auf Schach mit der Schule?

Das ist nicht einfach, speziell in einem Land wie England, in dem Schulbildung extrem wichtig ist. Aber ich bekomme das hin. Ich versuche, meine Schularbeit nicht mit mir mitzuschleppen oder aufzuschieben, sondern sie möglichst am Stück zu erledigen. Ich setze mich für fünf oder sechs Stunden hin und tue, was zu tun ist. Danach habe ich den Kopf frei für andere Sachen. Mein großes Ziel ist, im Schach so gut zu werden, wie ich kann.

Haben sich deine Ambitionen am Tegernsee mit deiner Siegesserie verschoben?

Natürlich schaue ich jetzt auf den ersten Platz. Aber es sind noch drei Runden zu spielen, leicht wird das nicht. Zumindest eine Großmeisternorm möchte ich mitnehmen, ich bin ja jetzt nahe dran.

Wie ist deine Routine während so eines Turniers?

Schlaf ist ein wichtiger Teil dieser Routine. Ausgeschlafen zu sein, ist wichtig beim Schach. Morgens stehe ich zwischen 9 und 10 Uhr auf, dann unternehme ich einen kurzen Spaziergang. Danach Vorbereitung, ein, zwei Stunden lang, Partien meines Gegners anschauen. Nicht allzu intensiv. Dann versuche ich, den Tag in entspannter Atmosphäre zu verbringen. Kurz vor der Partie steige ich nochmal kurz in die Vorbereitung ein und schmiede einen Plan.

Deine Pläne scheinen bislang aufgegangen zu sein.

Würde ich gar nicht einmal sagen. Die Gegner sind auch vorbereitet, sie weichen früh ab, versuchen, mich zu überraschen. Das ist der Grund, warum ich nicht zu viel Zeit mit konkreter Vorbereitung verbringen: Mit hoher Wahrscheinlichkeit kommt es eh nicht aufs Brett. Bislang war das Muster eher, dass mein Gegner mir etwas Neues vorsetzt, dann versuche ich am Brett, etwas Ausgefallenes dagegenzusetzen, sodass die gegnerische Vorbereitung nicht greift. Dann haben wir ein Duell Schachspieler gegen Schachspieler, unabhängig von Vorbereitung und Enginezügen. Und darin habe ich bis jetzt ganz gut ausgesehen.

 

 

 

 

 

 

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Aufgrund behördlicher Anordnung muss das Turnier dieses Jahr geteilt werden. Die neuen Turnierbedingungen finden sie in nachfolgendem Beitrag.

Wir gratulieren VITALIY BERNADSKIY zum Sieg bei den 23. Offenen Internationalen Bayerischen Schach-Meisterschaften.