Großmeister Jaime Santos Latasa aus Spanien hat die 24. Offene Internationale Bayerische Meisterschaft gewonnen. Am Ende entschieden die Wertungspunkte über den Turniersieg, und es triumphierte derjenige, der von der ersten bis zur letzten Runde Tisch 1 als seine Bastion gehalten hatte. Der spanische Nationalspieler fliegt jetzt mit einem veritablen Erfolg im Rücken zur Mannschafts-EM in Slowenien, wo er das dritte Brett Spaniens hüten wird (hinter David Anton und Alexei Schirow).

Alle Hände voll: Jaime Santos Latasa. | Foto: Sandra Schmidt

Wie knapp es zuging, dokumentiert der Umstand, dass den 21.-Platzierten FM Eduard Miller vom SC Erlangen und den Sieger ein halber Punkt trennte. Letztlich waren es sieben Spieler, sechs GM und mit Szymon Gumularz ein IM, die mit sieben Punkten aus neun Partien an der Spitze standen.

Einziger Nicht-GM unter den sieben Erstplatzierten: IM Szymon Gumularz. | Foto: Sandra Schmidt

Im Verlauf der an den oberen Brettern friedlichen Schlussrunde gelang es nur einem Verfolger, in die Phalanx derjenigen einzudringen, die bei 7/9 aufschlagen sollten. Leon Mons schlug Alexander Suvorov und machte sich selbst zum Co-Sieger (und Fünftplatzierten nach Wertung). Ansonsten an den Brettern 1 bis 10: remis.

Breaking News in unserer Facebook-Gruppe: Lars Goldbeck und Alexander Dac Nguyen haben IM-Normen erzielt.

Turnierdirektor Sebastian Siebrecht bedauert, dass aufgrund der Pandemieentwicklung eine Reihe von Teilnehmer:innen das Turnier nicht bis zum Ende spielen durften. „Das war bitter, aber es lag nicht in unserer Hand.“ Ansonsten ist Siebrecht „dankbar, dass wir das Turnier ausrichten konnten“. Auch dank der Unterstützung der Tegernseer Tal Tourismus und mit der Zusammenarbeit eines starken Teams sei es gelungen, eine solche Großveranstaltung unter den gegebenen Umständen auszurichten.

Ältester Teilnehmer, jüngste Teilnehmerin: Hans-Ludwig Ellmaier (91) und Greta Greive (8). | Foto: Sandra Schmidt

Jetzt gilt: Auf Wiedersehen im nächsten Jahr, voraussichtlich Ende Oktober/Anfang November. Der Termin für die Jubiläumsauflage steht nicht fest, aber sicher ist, dass die 25. OIBM größer werden sollen, nicht nur größer als dieses Mal, sondern nach Möglichkeit größer denn je. Geplant ist, zusätzliche Räume im Gut Kaltenbrunn fürs Schach zu nutzen, außerdem den Hof, sodass der bisherige Rekord von 550 Spielern und Spielerinnen gebrochen werden kann.

Ergebnisse der letzten Runde und Tabelle

Fotogalerie

An den meisten der oberen zehn Bretter ging es in der neunten Runde friedlich zu. An zumindest einem Brett täuschte der unentschiedene Partieausgang über das Gemetzel auf dem Brett hinweg. Georg Seul hatte Christopher Noe an der Angel, aber letztlich sah er eine Remisschaukel, die ihm so verlockend erschien, dass er nicht widerstehen konnte.

Tobias Jacob versus Georg Seul. | Foto: Sandra Schmidt

Von Stefan Ewert

Hat die Veltins-Werbung eigentlich etwas mit den Schachregeln zu tun? Grundsätzlich eher nicht, denn die Schachregeln werden von der FIDE festgelegt. Aber der Kaltgetränke-Hersteller Veltins hatte schon mal einen Werbespot, in dem ein Getränk eingeblendet wurde und die zentrale Aussage „nur gucken, nicht anfassen“ war. Und diese Aussage wiederum finden wir auch in den FIDE-Regeln, sie ist nur etwas anders formuliert.

Stefan Ewert ist nicht am Zug (siehe Uhr), fasst aber trotzdem eine Figur an. Das ist allenfalls zu Demonstrationszwecken erlaubt, keinesfalls während einer laufenden Partie. | Foto: Sandra Schmidt

Jeder kennt das: der Gegner oder vielleicht auch man selbst hat eine Figur ungenau auf dem Zielfeld abgesetzt. Einen Genauigkeitsfanatiker kann so etwas nerven, da greift man dann mal eben schnell zu und rückt die Figur gerade. Geht doch fix.

Aber darf man das überhaupt zu jeder Zeit?

Das hat die FIDE in Ihrem Regelwerk genau festgelegt. Artikel 4.2 erläutert, dass nur derjenige Spieler, der am Zug ist, Figuren zurechtrücken darf, vorausgesetzt er kündigt dies an (z.B. „j’adoube“ oder „ich rücke zurecht“). Jede andere Berührung wird als Absicht betrachtet, außer es geschieht offensichtlich aus Versehen.

Daraus kann man schließen: wer nicht am Zug ist, darf auch die Figuren nicht zurechtrücken! Hier schließt sich der Kreis zu dem eingangs erwähnten Werbespot, denn „nur gucken, nicht anfassen“ gilt in diesem Fall für denjenigen Spieler, der nicht am Zug ist.

In diesem Zusammenhang möchte ich noch Artikel 4.3 erwähnen, der festlegt, was nach absichtlichen Berührungen von Figuren durch den am Zug befindlichen Spieler passiert (das Thema ist den meisten bekannt unter „berührt-geführt“), dazu den Artikel 11.5, der es verbietet, den Gegner abzulenken oder zu stören (böse Zungen behaupten, man könne auch Figuren zurechtrücken, um damit den Gegner zu irritieren) sowie die Artikel 11.6 und 12.9, die es dem Schiedsrichter ermöglichen, in diesen Zusammenhängen verschiedene Strafmaßnahmen auszusprechen (Minimum: Verwarnung, in schweren Fällen kann es auch zu Partieverlust oder Turnierausschluss kommen).

Ansonsten habt Ihr selbstverständlich jederzeit die Möglichkeit, einen Schiedsrichter anzusprechen, wenn Euch irgendetwas im Zusammenhang mit den FIDE-Regeln unklar ist!

Weiterhin viel Spaß und den richtigen Zug zur richtigen Zeit wünscht

FA Stefan Ewert

Ingo Lindam, bekannt aus Funk und Fernsehen, möchte man sagen, und zumindest auf die Schachblase bezogen, wäre das nicht falsch. In der Szene ist Ingo Lindam das sichtbarste Mitglied und Motor seines Kölner SK Dr. Lasker, was auch an „Lasker TV“ auf Twitch liegt, in der Regel moderiert von, natürlich, OIBM-Stammgast Ingo Lindam. Der, das sollte nicht übersehen werden, nicht nur Lautsprecher und Motor ist, sondern ein exzellenter Spieler, der eine scharfe Klinge zu schlagen pflegt. Davon konnte sich jetzt in der achten Runde Jonas Roseneck überzeugen.

Ingo Lindam. | Foto: Sandra Schmidt

Zum Zungeschnalzen. Es war ja gar nicht einmal der mit Abstand beste Zug, auch kein klarer Gewinner. Aber spektakulär anzusehen. 21…Lb3! kriegt allein deswegen ein Rufzeichen, weil es sehenswert ist. Und wir können uns ausmalen, wieviel Freude es Soham Das bereitet hat, diese Bombe aufs Brett zu stellen.

Soham Das. | Foto: Sandra Schmidt

Michael Otto vom SC Mülheim 08/25 hat Grund, stolz zu sein. Er hatte sein erstes Wolga-Gambit überhaupt gespielt, war in Schwierigkeiten geraten – und fand eine trickreiche Rettung, als sich die Chance bot. Die Partie hat er uns geschickt – hier ist sie.

Alexander Dac Nguyen musste punkten, um im Rennen um die IM-Norm zu bleiben. Und das tat er. Auf der anderen Seite des Brettes hatte Günther Beikert wahrscheinlich übersehen, dass am Ende eines Schlagabtauschs ein unschuldig aussehender Damenzug unparierbare Drohungen aufstellt.

Alexander Dac Nguyen. | Foto: Sandra Schmidt

Brandaktuell: In der Zwischenzeit hat Alex Nguyen tatsächlich unter Dach und Fach gebracht. Glückwunsch!

 

In der OIBM-Facebookgruppe wurde schon spekuliert, die beiden großmeisterlichen Vereinskameraden aus München würden ein schnelles, friedliches Remis machen. Von wegen.

Gerald Hertneck versus Leon Mons. | Foto: Sandra Schmidt

Die Engine mag angesichts seiner Brechstange noch so die Nase rümpfen: Gerald Hertneck ließ Zentrum Zentrum sein und Damenflügel Damenflügel. Alles, was er hatte, fokussierte er auf den König von Leon Mons. Und der, konfrontiert mit fortwährenden Rechenaufgaben, griff schließlich fehlt. Und dann wurde es doch remis, aber kein friedliches.

Gerry Hertneck auf Facebook nach der Partie.

Das Duell der 2600er fand einen Sieger. Dimitrios Mastrovasilis hat mit seinem Weißsieg dafür gesorgt, dass Turnier vor der letzten Runde weit offen ist. Jaime Santos Latasa wiederum gelang es nicht, der Verfolgermeute vorzeitig zu enteilen.

Die Spitzenpartie: Dimitrios Mastrovasilis gegen Jaima Santos Latasa, beobachtet von Turnierdirektor Sebastian Siebrecht. | Foto: Sandra Schmidt

Jetzt gilt es noch einmal für Jaime Santos Latasa. Mit 6,5 Punkten aus 7 Partien hat sich der Spanier die alleinige Tabellenführung zurückerkämpft, aber nun steht er vor der schwierigsten Aufgabe, die ihm die 24. OIBM stellen kann: Schwarz gegen den anderen 2600er im Feld, den griechischen GM Dimitrios Mastrovasilis. Und der muss gewinnen, soll aus seiner theoretischen Chance, am Ende ganz oben zu stehen, eine praktische, greifbare werden. Seien wir gespannt.

Dimitrios Mastrovasilis (hier gegen Leon Mons) hat heute mit den weißen Steinen die Gelegenheit, selbst noch in den Kampf um den ersten Platz einzugreifen. | Foto: Sandra Schmidt

Die zweitbeste, weit mehr als theoretische Chance, am Ende ganz oben zu stehen, hat Neuris Delgado Ramirez. Nach seinem Siebtrundensieg über Nikola Nestorovic nimmt Delgado Ramirez den alleinigen zweiten Platz für sich in Anspruch, einen halben Punkt hinter Santos Latasa und einen halben Punkt vor dem 13-köpfigen Pulk der Verfolger mit 5,5/7.

Sandipan Chanda kommt nach mühsamem Start jetzt mächtig auf. Geht das so weiter? | Foto: Sandra Schmidt

Was gestern für die ersten Bretter galt, gilt dort auch heute: Die Schachfreunde mit dem „GM“ vor dem Namen sind unter sich – inklusive Sandipan Chanda, der nach einem Stotterstart nun bei 5,5 Punkten angekommen ist. Will er noch weiter klettern, muss er heute GM Kobo Ori schlagen – der alles tun wird, um seinerseits weiter nach oben zu schielen.

…Txf2+! nebst Matt in drei.

Ein nicht nur aus deutscher, nicht nur aus bajuwarischer, nicht nur aus Münchner Perspektive interessantes Lokalduell wird sich am vierten Brett abspielen: Gerald Hertneck trifft auf seinen Vereinskameraden Leon Mons vom Zweitligisten Münchner Schachakademie Zugzwang. Ob die beiden heute die Brettrangfolge für die kommende Saison klären?

Spielt heute eine Münchner Vereinsmeisterschaft bei der OIBM: Gerald Hertneck. | Foto: Sandra Schmidt

Unterhalb der Tabellenspitze geht es um Normen und Wertungen. Die besten Aussichten auf eine IM-Norm hat FM Lars Goldbeck vom SC Bavaria Regensburg, der nach seinem Sieg über Max Hess bei 5 Punkten und einer 2456-Performance steht.

Demnächst IM? Lars Goldbeck. | Foto: Sandra Schmidt

Beim Kampf um die Wertungspreise spielt leider die im Landkreis Miesbach hohe Corona-Inzidenz mit. Das Turnier wird ab der achten Runde unter der 2G-Regel zwar fortgesetzt, aber 34 Schachfreundinnen und -freunde scheiden leider nach der siebten Runde aus. Darunter Steffi Arnhold aus Regensburg, die bislang ein Riesenturnier gespielt hat und die Frauenwertung anführt, darunter auch Leonardo Costa, der in der U14 und in der U2400 gut im Rennen liegt.

Was ist besser, zwei Türme oder die Dame? Das hängt, wie eigentlich immer beim Schach, von den Umständen ab. Steffi Arnhold hatte vorausgesehen, dass hier die Dame besser ist. Nach Tc3 segelte sie auf Sieg-Kurs.