„Einen Monat auf Caruana vorbereitet“ – Rinat Jumabayev im Interview

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Vor jeder Partie einen einstündigen Spaziergang. Das habe schon Botwinnik empfohlen, sagt Rinat Jumabayev – und hält sich daran, am Tegernsee umso lieber. Der kasachische Großmeister genießt die Aussicht auf den See und die Schönheit der Natur, bevor ab 16 Uhr sein ganzer Fokus dem Schachbrett gilt. Nach der dritten Runde fand Jumabayev die Zeit für ein Interview.

Rinat Jumabayev. | Foto: Sandra Schmidt

Rinat, willkommen zurück. Du hast schon 2017 hier gespielt.

Ja, das war eine lustige Geschichte.

Erzähl!

Wir waren fünf Spieler, die zu spät zur ersten Runde kamen, weil unser Flug aus Korsika in letzter Minute gestrichen wurde. Wir hatten vorher ein Turnier in Bastia gespielt, und als unser Morgenflug abgesagt wurde, mussten wir bis abends warten, um nach Wien zu fliegen. Die Nacht verbrachten wir in Wien und fuhren am nächsten Morgen weiter nach München. Letztendlich kamen wir eineinhalb Stunden vor Beginn der zweiten Runde an, aber die erste Partie hatten wir verpasst.

Trotz der damit verbundenen kampflosen Null hast du dich nach vorne gekämpft.

Sechs Partien in Folge gewonnen, fast sogar die siebte. Doch mein Gegner rettete sich, und damit war ich aus dem Kampf um den Turniersieg ausgeschieden.

Auch diesmal war es mit deiner Ankunft knapp.

Eigentlich hatte ich das Turnier nicht geplant. Direkt vor der 27. OIBM habe ich zwei Open in Norwegen und Frankreich gespielt. Ich hatte schon einen Rückflug nach Hause gebucht, als Sebastian Siebrecht mich kontaktierte. Dann habe ich spontan meine Pläne geändert. Jetzt bin ich hier.

Und?

Die Organisatoren geben sich viel Mühe, den Spielern eine angenehme Atmosphäre zu bieten. Es sind über 500 Spielerinnen und Spieler hier. Ich fühle, wie sehr unser Sport hier geschätzt wird. Die Atmosphäre ist fantastisch, und es ist schön zu sehen, wie viele Menschen hier Schach lieben. Ich hoffe, dass ich in Zukunft wiederkommen kann.

Wie sieht dein Tagesablauf während des Wettbewerbs aus?

Dieses Mal achte ich mehr auf die Umgebung und die Schönheit der Natur, was ich 2017 nicht so bewusst wahrgenommen habe. Vor jeder Partie unternehme ich einen Spaziergang und genieße die Aussicht auf den See. Außerdem glaube ich, dass mir die Spaziergänge helfen, mich auf die Partien einzustellen. Schon Botwinnik hat empfohlen, vor jeder Partie eine Stunde spazieren zu gehen. Das probiere ich jetzt aus und hoffe, dass es mir hilft, gute Ergebnisse zu erzielen.

Endstation Jumabayev: Für Fabiano Caruana war dieses Drittrundenmatch das letzte im World Cup 2021. | Foto: FIDE

Als Schachfan kann ich dir genau sagen, wann du zum ersten Mal groß auf meinem Radar aufgetaucht bist: als du 2021 im World Cup Fabiano Caruana besiegt hast. Dein größter Sieg bisher?

Der World Cup 2021 war wohl eines meiner besten Turniere. Das Match gegen Caruana war besonders, aber es gab auch andere, zum Beispiel gegen Alexander Motylev. Auf das Match gegen Caruana in der dritten Runde hatte ich mich einen Monat lang vorbereitet. Ich war mir sicher, dass ich auf ihn treffen würde.

Einen Monat Vorbereitung – auf die dritte Runde?!

Ja, ich hatte das Gefühl, dass ich die erste Runde gegen einen schwächeren Gegner, einen FIDE-Meister, gewinnen sollte. In der zweiten Runde würde ich dann auf Motylev treffen. Aber ich wollte vor allem sicherstellen, dass ich für die dritte Runde gegen Caruana bereit bin. Wie es dann so oft ist, spielte Caruana eine Variante, die er vorher noch nie angewendet hatte, sodass vieles meiner Vorbereitung nicht zum Einsatz kam. Gewonnen habe ich trotzdem. Bestimmt war es ein Faktor, dass Caruana sich nicht warmspielen konnte. Sein Gegner in der Runde zuvor musste wegen eines positiven Covid-Tests aussetzen. Das war ein Vorteil für mich.

Im kasachischen Schach scheint einiges in Bewegung zu sein. Wie geht es unserem Sport in deiner Heimat?

Darüber möchte ich lieber nicht sprechen. Meine Zusammenarbeit mit dem kasachischen Schachverband habe ich beendet und bin nicht mehr Teil des Nationalteams. Ich konzentriere mich nur noch auf meine eigenen Ziele und vertrete mein Land auf eigene Faust international.

Hier bist du gut ins Turnier gestartet. Drei Runden und drei Siege – zufrieden?

Ja, die ersten Runden liefen sehr gut. Heute, in der dritten Runde, hatte ich etwas Glück. Mein Gegner hat in der Zeitnotphase Fehler gemacht, die mir geholfen haben, die Initiative zu übernehmen. Gestern spielte ich eine schöne, strategische Partie, die wirklich Spaß gemacht hat (siehe kommentierte Partie unten). Wegen solcher Partien liebe ich das Schachspiel.

Dein Plan für die kommenden Tage kann nur der Turniersieg sein.

Natürlich, aber das wird nicht leicht. Viele starke Spieler hier wollen ebenfalls gewinnen. Wenn ich jedoch weiterhin auf dem Niveau der ersten drei Partien spiele, glaube ich, dass ich eine gute Chance habe, das Turnier erfolgreich abzuschließen.

Jumabayevs Zweirundenpartie, von ihm kommentiert: