Goldlaub, Punkte, Käferzeit – Schachgenuss am Tegernsee
Von Yvonne Malinowsky
Herbst am Tegernsee. Das Laub schimmert in allen Schattierungen von Gold, die Sonne tut so, als hätte der Sommer nur kurz Pause gemacht und selbst die Käfer, die sich längst unter das Laub für den Winter verkrochen hatten, recken wieder ihre Fühler.
Schwarze Punkte auf rotem Kleid, willkommen bei Käfer auf Gut Kaltenbrunn in Gmund!
Vom 1. bis 9. November 2025 ist hier der Name „Käfer“ Programm, und das betrifft nicht nur Kulinarisches: Punkte soll es geben bei der Offenen Internationalen Bayerischen Schachmeisterschaft, kurz OIBM, und schachliche Feinkost auch.
„Wohnen und Schachspielen“ am Tegernsee; das klingt fast zu schön, um real zu sein. Eine Kulisse wie aus dem Bilderbuch, als hätte jemand am Morgen einfach eine riesige Leinwand mit Alpenmotiv ausgerollt. Die Inspiration für Körper, Geist und Seele lässt die Vorfreude reifen für die erste Schachpartie am Samstag.
Die Eröffnung der Schachmeisterschaft? Ganz bayerisch, mit zünftiger Blasmusik, freundlichen Gesichtern und einer Reihe herzlicher Begrüßungsworte. Allen voran Turnierdirektor GM Sebastian Siebrecht, der alle Anwesenden willkommen heißt und mit seiner lebendigen Art sofort das Gefühl vermittelt, man befinde sich zugleich auf einem Schachturnier und im Urlaub.
In den letzten Jahren hatte ich das Vergnügen, einige dieser „Schachurlaube“ mitzuerleben, meist als Begleitung meines Sohnes Levi. Vom klassischen Open bis zur Jugendweltmeisterschaft, vom Ligakampf bis zum Blitzturnier im Einkaufszentrum war alles dabei. Wundervolle Orte, die mein Sohn, der in unserer Familie die meisten Partien bestreitet, allerdings meist nur aus einer ganz bestimmten Perspektive kennt: dem Turniersaal. Oder, um ehrlich zu sein, manchmal leider auch eher dem, was man großzügig so nennt: Keller, Hallen, stickige Räume; darin Tische oft dicht an dicht gedrängt auf wenigen Quadratmetern.
„Brett“ – ein dehnbarer Begriff
Levi hat sich hochgearbeitet, sowohl auf der Rangliste als auch in der „Etagenordnung“. Vom Untergeschoss, in das es tatsächlich einmal hineingeregnet hat und die Pfütze so liegen blieb (kein Witz!), bis hin zu Livebrettern oben im Spiegelsaal. Manchmal sind die hinteren Bretter in Räumen untergebracht, die so weit ab vom Tageslicht liegen, dass man glauben könnte, Schach gehöre versteckt. Und „Brett“ ist dabei ein dehnbarer Begriff, oft sind es zwei zusammengeschobene Kunststoffhälften mit Plastikfiguren, deren Türme keine Zinnen mehr haben und deren Könige längst „entkrohnt“ sind.
Und was hat das jetzt alles mit der OIBM am Tegernsee zu tun?
GAR NICHTS !
Und genau darin liegt das Schöne, das ich hiermit betonen möchte. All das gibt es hier nicht. Stattdessen:
Zwei wunderschöne Spielsäle, unten der ehemalige Rinderstall, jetzt edel hergerichtet mit den Livebrettern und den „anonymen“ Brettern der oberen Tabellenhälfte. Und oben (ja genau, oben, nicht unten, wie so oft) führt ein endloser roter Teppich durch die zauberhafte alte Scheune, genannt „Tenne“, extra nur für die zweite Teilnehmerhälfte hergerichtet. Beide Säle sind hell, warm, gemütlich. Große Tische, perfekte Beleuchtung, Platz zum Atmen. Und das Beste: Selbst das allerletzte Brett ist aus Holz mit echten Holzfiguren. Dieser Anblick beeindruckt und wird dem königlichen Spiel sowie diesem malerischen Spielort mehr als gerecht.
Dazu genug Platz, um neben dem Brett einer dieser stylischen „Käfer“-Tassen, unseres Gastgebers, mit frisch gebrühtem Kaffee abzustellen und uns daran zu erinnern, weshalb wir hier sind…





