„Meinem Sohn im Wettkampf zuzuschauen, ist sehr aufregend für mich“: Leonardo und Vincenzo Costa
Riesenpech für Leonardo Costa: Mit zwei Siegen zum Schluss, dachte der 14-Jährige, könne er am Tegernsee seine zweite IM-Norm schaffen. Entsprechend froh und erleichtert war er nach seinem hart erkämpften Achtrundensieg über Luisa Bashylina. Nun noch ein Sieg in der neunten Runde, und die Norm ist eingetütet – dachte er. Dann bescherte ihm die Auslosung der neunten Runde eine kalte Dusche, einen Gegner mit Elo 1670, zu niedrig für Normansprüche. Selbst ein Sieg wird nicht reichen.
Pech, aber kein Beinbruch. Leonardo Costa wird recht bald anderswo seine zweite und auch seine dritte Norm erfüllen, seinen Elo über 2400 schrauben und den IM-Titel bekommen, sein erklärtes kurzfristiges Ziel, wie er im Interview bestätigt. Wie es dann weitergeht? Es sei zu früh, darüber zu reden, findet Leonardo Costa. „Ich denke auch gar nicht groß darüber nach.“
Das folgende Gespräch mit Leonardo und seinem Vater Vincenzo Costa haben wir nach der siebten Runde geführt:
Leonardo, für einen Münchner wie dich liegt die OIBM quasi vor der Haustür.
Leonardo: Ja, kurze Anfahrt, Übernachten zu Hause, das ist praktisch. Leider nicht in den Herbstferien wie sonst. In diesem Jahr überschneidet sich das Turnier mit der Schule, das ist nicht ideal. Nicht nur für mich, für alle Kinder und Jugendlichen.
Morgens zur Schule, nachmittags ans Brett. Hattest du noch Zeit für Partievorbereitung?
Leonardo: Ein wenig. Abends nach der Runde war es dafür zwar zu spät, aber ich habe versucht, morgens vor der Schule ein paar Partien meiner Gegner zu studieren. Und nach der Schule war meist noch ein wenig Zeit, bevor wir Richtung Tegernsee aufgebrochen sind.
Vincenzo, du spielst auch Schach. Ist Leonardo über dich dazu gekommen?
Vincenzo: Ich bin bestenfalls ein Gelegenheitsspieler. Aber ich hatte eine Schachsoftware auf meinem Tablet, und Leonardo hat angefangen, damit zu spielen. Da war er fünf. Als ich merkte, dass ihm Schach Freude bereitet, habe ich ihm einen Account auf einer Schachseite angelegt. Später kam erstes Training in einer Kinderschachgruppe dazu, so fing es an…
Leonardo: …und für mich war schnell klar, dass ich dranbleibe. Schach hat mir von Beginn an großen Spaß gemacht, das ist bis heute so.
Vincenzo: Meine eigene Ambition hält sich in Grenzen. Ich spiele vielleicht ein Turnier im Jahr, und das vor allem, damit ich als Leos Chauffeur nicht so lange warten muss, bis er fertig ist. Außerdem ist es besser für meine Nerven (lacht). Meinem Sohn im Wettkampf zuzuschauen, ist sehr aufregend für mich.
Leo, gab es einen Punkt, an dem dir aufgegangen ist, dass du ein Ausnahmetalent bis?
Leonardo: Vielleicht vor fünf Jahren, als ich die Deutsche Einzelmeisterschaft in meiner Altersklasse gewonnen habe. Das war jedenfalls der erste Sieg, auf den ich richtig stolz war.
Vincenzo: Mir war das viel eher klar, nämlich bei Leos erstem Turnier, einem U14-Turnier. Leo war fünf Jahre alt – und hat alle fünf Partien und das Turnier gewonnen. Nach dieser Überraschung habe ich beschlossen, Leos Schach zu fördern, so lange er das will.
Und so lange es die Schule nicht beeinträchtigt?
Vincenzo: Bei besonderen Veranstaltungen gibt es die Möglichkeit einer Schulbefreiung. Aber davon machen wir nur ganz behutsam Gebrauch, wir haben schon das eine oder andere Turnier wegen Schule abgesagt. Die Schule hat Priorität, so wie jetzt bei den OIBM. Unabhängig vom Schach, Leo sollen im Leben alle Wege offenstehen, er soll als kultivierter Mensch aufwachsen, und dafür bedarf es Schulbildung. Ein anderer Faktor, bei dem wir abwägen müssen, sind die Kosten. Leo bekommt Förderung vom Deutschen und vom Bayerischen Schachbund, darüber sind wir froh und dankbar, aber das allein würde nicht reichen. Privat muss ich sehen, was wir leisten können.
Auf dem Level, das Ihr mittlerweile erreicht habt, ist Schachvater zu sein wahrscheinlich eine fordernde, zeitintensive Betätigung.
Vincenzo: Stimmt, aber ich habe Freude daran. Leo zu begleiten, ist mein großes, liebstes Hobby. Generell reise ich gerne, entdecke gerne neue Orte. Außerdem sind Wettkämpfe oft spannend zu verfolgen, in der Bundesliga zum Beispiel. Und wenn nicht, finde ich immer eine andere Beschäftigung. Ich kann zum Beispiel oft aus der Ferne arbeiten, während Leo spielt. Der wichtigste Faktor, warum das Schachvaterdasein mir Freude bereitet, ist zu erleben, welche Freude mein Sohn beim Schach empfindet. Das allein würde mir schon reichen. Alles andere ist Bonus.
Für dich, Leo, ist Schach wahrscheinlich mehr als ein Hobby. Vor einem Jahr warst du sogar die Nummer fünf der Welt in deiner Altersklasse. Wohin soll dein Weg führen?
Leonardo: Es ist zu früh, das zu sagen. Ich denke auch gar nicht viel darüber nach. Ich will besser werden, möglichst bald den IM-Titel schaffen, und dann schauen wir mal. Meine Niederlage am Tegernsee in der siebten Runde hat mich ein wenig zurückgeworfen, aber ich habe trotzdem noch die Chance auf meine zweite Norm. Wahrscheinlich muss ich dafür in den letzten beiden Runden gewinnen. Schwierig, aber ich werde es versuchen.
Was steht als nächstes an?
Leonardo: Erstmal die Bundesliga am letzten Novemberwochenende. Im Dezember spiele ich das GM-Turnier des BCA Augsburg: sechs Teilnehmer, doppelrundig, starke Gegner.
Nächstes Jahr kannst du als Deutscher Meister am „Masters“ teilnehmen und dich mit Keymer, Blübaum & Co. messen.
Leonardo: Das wird wahrscheinlich ein Höhepunkt meines Schachjahres. Auf die Vergleiche mit so starken Spielern freue ich mich.
Legst du Partien anders an, wenn gegenüber derart starke Spieler sitzen?
Leonardo: Ein gewisser Respekt schwingt dann schon mit. Meistens führt das dazu, dass ich etwas mehr Zeit verbrauche, meine Entscheidungen noch genauer prüfe. Ich bin dann etwas mehr darauf bedacht sicherzustellen, dass ich keine Fehler mache. Aber dass ich die Partien anders anlege, würde ich nicht sagen. Ich spiele meine Partie, egal, wer der Gegner ist.