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Großmeister Titas Stremavicius aus Litauen hat die 27. Offenen Internationalen Bayerischen Meisterschaften gewonnen. Mit 7,5 Punkten aus 9 Partien belegt der 26-Jährige den ersten Rang vor dem punktgleichen Rinat Jumabayev, der wegen der schlechteren Wertung mit dem zweiten Platz vorliebnehmen muss.

Hinter den beiden Spitzenreitern drängeln sich neun Spieler mit sieben Punkten, darunter Turnierfavorit Dmitrij Kollars, der nach Wertung den dritten Platz belegt. Marius Deuer (16) auf Rang vier hat am Tegernsee seine erste Großmeisternorm geschafft.

Turniersieger Titas Stremavicius (3.v.r.), umrahmt vom Zweitplatzierten Rinat Jumabayev und dem Drittplatzierten Dmitrij Kollars. Bad Wiessees zweite Bürgermeisterin Birgit Trinkl (2.v.l.) unterstützte Veranstaltungsleister Peter Rie (l.) und Turnierdirektor Sebastian Siebrecht (r.) bei der Preisverleihung. | Foto: Sandra Schmidt

Vor der neunten und letzten Runde war überhaupt nicht abzusehen, wer am Ende das Rennen machen würde. Elf Spieler lagen punktgleich mit 6,5 Zählern vorne, jeder mit der Chance, mit einem Sieg zum Abschluss das Turnier zu gewinnen. Durch die schwarz-rot-goldene Brille betrachtet, war insbesondere die Paarung am ersten Brett brisant: Marius Deuer vs. Dmitrij Kollars.

Marius Deuer gegen Dmitrij Kollars. | Foto: Sandra Schmidt

Für Deuer galt, dass er nicht verlieren darf, um seine erste GM-Norm zu erzielen, während Kollars davon ausgehen musste, dass er nur mit einem Sieg über Deuer das Turnier gewinnen kann. Dieser explosiven Ausgangslage wurde Kollars mit einem frühen Bauernopfer für freies Spiel gerecht. Deuer befreite sich, indem er den Bauern zurückgab, um die schwarze Aktivität einzudämmen – erfolgreich, aber die Partie verflachte. Schon nach gut 20 Zügen stand ein ausgeglichenes Endspiel auf dem Brett, in dem für beide Seiten keine Siegperspektive zu finden war. Nach 25 Zügen einigten sich die beiden auf Remis.

Rinat Jumabayev gegen Giga Quparadze. | Foto: Sandra Schmidt

Aus Sicht der anderen Spieler mit 6,5 Punkten war dieses Remis des nach Wertung führenden Kollars die Gelegenheit, selbst die Tabellenspitze zu übernehmen. Als Erstem gelang dem kasachischen Großmeister Jumabayev dieses Unterfangen. Sein Gegner, der georgische Großmeister Giga Quparadze, war in einem Najdorf-Sizilianer in einen taktischen Überfall geraten, der ihn Material kostete. Quparadzes verzweifelter Versuch, einen Konter aufzuziehen, scheiterte.

15.Sdb5!, der Anfang vom Ende. Weiß plant, auf b7 und c5 zu schlagen, und dann liegen Springergabeln auf d6 in der Luft.

Nun blieb Jumabayev nichts anderes als zuzuschauen, ob ihn jemand ein- bzw. überholt. Nominell sollte der Großmeister Venkataraman Karthik die besten Aussichten haben. Der Inder war zwar mit den schwarzen Steinen, aber vor allem mit einem Eloplus von 330 Punkten in die Partie gegen die schottische Turnierüberraschung FM Neil Berry (Elo 2248) gegangen. In einer statischen, ruhigen Stellung kämpfte der Inder bis tief ins Endspiel, vermochte aber gegen den soliden Schotten nichts auszurichten.

Weiß sucht bei beginnender beiderseitiger Zeitnot die Eskalation. Auf 28….cxd4 folgt 29.Db4+ mit Spiel gegen den schwarzen König.

In der wildesten Partie des Tages schien der junge GM Elham Amar gute Aussichten zu haben, Roven Vogel zu besiegen und zu Jumabayev aufzuschließen. Aber Vogel, mit 6 Punkten nicht mehr im Rennen um den Turniersieg, wehrte kaltblütig alles ab, was Amar gegen seinen König warf. Am Ende stand der Dresdner mit einem Mehrturm und einen vollen Punkt da, und der Norweger fiel zurück ins Feld.

Titas Stremavicius gegen Alexander Naumann. | Foto: Sandra Schmidt

Bei Titas Stremavicius sah es lange nicht aus, als böte ihm Alexander Naumann eine Gelegenheit, ganz oben einzugreifen. Dann, bei reduziertem Material in einer auf den ersten Blick unschuldigen Stellung, offenbarten sich bei genauerem Hinsehen garstige Mattdrohungen gegen Naumanns König. Stremavacius hatte klammheimlich ein Mattnetz gesponnen. Als es Naumann auffiel, war es zu spät, daraus zu entkommen.

Als plötzlich das Mattnetz gesponnen war: Nach 46.Tf7! droht 47.Sd5 nebst matt. Das kann Schwarz nur unter Materialverlust verhindern.

Neben den 15 Hauptpreisen vergaben Veranstaltungsleiter Peter Rie und Turnierdirektor Sebastian Siebrecht eine ganze Reihe von Preisen in Rating- und Alterskategorien. Ein Auszug:

U18: Kevyan Farokhi

U16: Temur Toktomushev

U14: Lukas Dotzner

Frauen: Nutakki Priyanka

Senioren: Arno Zude

U2400: Rick Frischmann

U2200: Christian Köhler

U1900: Tobias Schöll

U1600: Maik Wilschinsky

FIDE-Meister Andreas Ciolek vom SK Singen schickt ein wildes, pointenreiches Duell aus der achten Runde. Sein Kommentar lässt es aussehen, als hätten sich unerwartet immer neue Probleme vor ihm aufgetürmt, und dann habe er spontan improvisieren müssen. Wir nehmen ihm das nicht vollständig ab, gehen davon aus, dass deutlich mehr Voraussicht im Spiel war, als Ciolek durchblicken lässt – und verleihen ihm den Preis für die schönste Partie der achten Runde.

Andreas Ciolek mit Turnierdirektor Sebastian Siebrecht. | Foto: Sandra Schmidt

Just because a game is played on board 223 doesn’t mean that the opponents (or one of them) are thoroughly prepared. Marcus Zametzer had seen in his database that his opponent is drawn to a dubious Scandinavian line.

Marcus Zametzer. | Photo: Sandra Schmidt

What happened next, annotated by the winner himself:

Zwei weitere Schönheiten aus der achten Runde der 27. Offenen Internationalen Bayerischen Meisterschaften, die knapp am Schönheitspreis vorbeigeschrammt sind, gleichwohl der Öffentlichkeit nicht vorenthalten werden sollen. Benedikt Weber schickt eine Angriffskaskade, die mit einem Springeropfer auf e6 beginnt und über einen Einschlag auf h7 schließlich zum Matt führt.

Benedikt Weber. | Foto: Sandra Schmidt

Victor Daniel Pousada Garcia. | Foto: Sandra Schmidt

Victor Daniel Pousada Garcia hat eine Anleihe bei Frank Marshall genommen. Als der US-Meister 1912 in Breslau im 23. Zug gegen Stefan Levitsky seine Dame vor die gegnerische Rochadestellung nach g3 stellte, sollen die Zuschauer so begeistert gewesen sein, dass sie Goldmünzen aufs Brett warfen.

„Vielleicht ein Kandidat für den Schönheitspreis“, schreibt Marcus von Lossow und sendet die folgende Partie aus der achten Runde ein. – Vielleicht? Bestimmt sogar. Für den Schönheitspreis hat es nicht ganz gereicht, aber ansehnlich ist es allemal, wie der Spieler vom PTSV SK Hof cool bleibt, während es vor seinem König einschlägt, und dann zum Konter ansetzt.

Marcus von Lossow. | Foto: Sandra Schmidt