Aktuelle Infos und Beiträge zur OIBM

Erst ziehen, dann Remis anbieten. So weit ist es den meisten Schachspielenden bekannt, ohne die Feinheiten des Reglements dahinter zu kennen. Die traten jetzt in der OIBM anhand eines Falles zutage, von dem Gregor Johann berichtet:

Ein Spieler bot seinem Gegner remis, als er selbst am Zug war. Der Gegner sagte: „Mach erstmal einen Zug.“ Das tat der Anbietende – und bemerkte, dass er auf Gewinn steht. Kein Wunder also, dass sein Gegner nach dem ausgeführten Zug das Remis annehmen wollte. Aber der Anbietende fühlte sich nun nicht mehr an sein Angebot gebunden. Er holte den Schiedsrichter.

Gregor Johann und die FIDE-Regeln. Darin finden sich auch alle mit Anbieten und Ablehnen von remis verbundenen Feinheiten. | Foto/Montage: Sandra Schmidt

Gregor Johann verweist auf Paragraf 9.1.2.1 der FIDE-Regeln:

“Eine Spielerin/ein Spieler, die/der Remis anbieten möchte, tut dies, nachdem sie/er einen Zug auf dem Schachbrett ausgeführt und bevor sie/er ihre/seine Uhr gedrückt hat. Ein Remisangebot zu einer beliebigen anderen Zeit während der Partie ist zwar gültig, aber Artikel 11.5 muss berücksichtigt werden. An das Angebot können keine Bedingungen geknüpft werden. In beiden Fällen kann das Remisangebot nicht zurückgezogen werden und bleibt gültig, bis es die Gegnerin/der Gegner annimmt, mündlich ablehnt, ablehnt durch Berühren einer Figur in der Absicht, diese zu ziehen oder zu schlagen, oder die Partie auf andere Weise beendet wird.”

(11.5 betrifft die Störung des Gegners durch ungerechtfertigtes Remisbieten)

Merke: Hast du remis angeboten, kannst du das Angebot nicht zurückziehen. Es gilt erst dann nicht mehr, wenn es der Gegner abgelehnt hat. Zu diesem Fall sagt Johann: “Die Aufforderung des Gegners, zuerst einen Zug auszuführen, kann nicht als Ablehnung gewertet werden, und so konnte er nach der Ausführung des Zuges das Remisangebot noch annehmen.”

Merke auch: Prüfe, ob du womöglich auf Gewinn stehst, bevor du remis anbietest.

Die Flucht aus der Ukraine führte Familie Cherniaiev Anfang März 2022 nach Hamburg – dank der Schachverbindung des Sohnes zu ChessBase. Das Softwarehaus stellte den Geflüchteten die Zweizimmer-Dienstwohnung des Unternehmens zur Verfügung und sorgte dafür, dass Tykhon hier zur Schule gehen kann.

Allzu lange währte der Aufenthalt in Deutschland nicht. Schon im August 2022 gingen Cherniaievs nach Warschau, kamen aber wenig später für knapp zwei Wochen nach Deutschland zurück – damit Tykhon an der OIBM 2022 teilnehmen kann. 2023 ist er wieder da – und fand die Zeit für ein Gespräch:

Tykhon, du spielst jetzt im zweiten Jahr in Folge die OIBM. Es scheint dir hier zu gefallen.  

Die ruhige, freundliche Atmosphäre rund um das Turnier gefällt mir besonders gut. Ich würde gerne weiter regelmäßig mitspielen, aber ob das klappt, hängt von Umständen ab, die ich nicht beeinflussen kann. Es gibt allerdings eine Sache, die mir nicht gefällt. Das Internet im Hotel ist so instabil, dass ich mich manchmal kaum auf meine Gegner vorbereiten kann.

Du bist im Frühjahr 2022 nach dem Überfall auf die Ukraine mit deiner Mutter und Schwester aus Charkiw nach Hamburg geflohen, während dein Vater blieb, um zu kämpfen. Wie geht es euch?  

Wir waren für 4,5 Monate in Deutschland. Im August 2022 sind wir für kurze Zeit in die Ukraine zurückgekehrt. Seit Dezember 2022 leben meine Muter, meine Schwester und ich in Warschau, schon fast seit einem Jahr. Die Crido-Stiftung hilft uns, sie bezahlt eine Unterkunft und unterstützt uns finanziell. Alle anderen Mitglieder meiner Familie sind weiterhin in Charkiw. Die meisten habe ich seit fast zwei Jahren nicht gesehen.  

Die Trennung: Familienvater Sergey Cherniaiev blieb in Charkiw, um die Invasoren zu bekämpfen. Tykhon, Mutter Svetlana, Schwester Ustiniya und die Großmutter flüchteten nach Hamburg. | via YouTube/PeshkaCh

Wie war jetzt die Reise nach Bayern möglich? 

Ein Freund hat meine Mutter, meine Schwester und mich eingeladen und angeboten, alles zu organisieren. Die Einladung haben wir gerne angenommen. Ich kannte ja diesen schönen, ruhigen und freundlichen Ort schon vom vergangenen Jahr. Jetzt bin ich froh, wieder da zu sein und die Gegend und die Orte rund um den See erkunden zu können.  

Offenbar bist du nicht nur wegen des Schachs hier. 

Schach gibt mir die Möglichkeit, interessanten, angenehmen Menschen zu begegnen. Dank Schach lerne ich die verschiedensten Orte kennen, verschiedene Länder und ihre Traditionen. Also sagen wir es doch andersherum: Ohne Schach wäre ich nicht hier, und das wäre schade.

Dank Schach wächst du auch als Mensch. 

Schach ist ein wichtiger Teil meines Lebens, in dem ich mich entwickeln und verbessern will. Aber Schach hat mir auch andere Dinge eröffnet, innere Ressourcen. Dank Schach weiß ich, zu was ich in der Lage bin, wie ich mich auf Dinge fokussieren kann. Und dann macht Schach auch noch Spaß! Schach ist einfach unheimlich cool.  

Wie balancierst du Schach und Schule?  

Ich gehe online zur Schule, bin aus der Ferne Schüler einer ukrainischen Schule. Das gibt mir die Zeit, die ich dem Schach widmen möchte.  

Deine Ziele bei der OIBM? Und was kommt danach?  

Hier möchte ich einfach schöne, interessante Partien spielen. Was danach kommt, ist vage. Wir planen jedenfalls, Ende des Jahres in die Ukraine zurückzukehren, und dann sehen wir weiter. Für alle Ukrainer gibt es in dieser Zeit nur einen ganz wichtigen Plan: zu überleben.  

Tykhon hat seine Partie aus der sechsten Runde für den Schönheitspreis eingereicht – und gewonnen:

Wenn beide Seiten auf entgegengesetzten Flügeln ihr Heil suchen (sollten): Bernd Zieger schickt uns seinen Außernseitersieg, beendet mit gleich mehreren taktischen Knalleffekten. | Foto: Sandra Schmidt

Beinahe hätte Roven Vogel auch die sechste Partie gewonnen und mit 100 Prozent der Punkte seine alleinige Tabellenführung verteidigt. Einen schönen Vorteil in Form einer Mehrfigur hatte er sich gegen Jiri Stocek herausgespielt. Aber mit einer heroischen Verteidigungsleistung rettete der tschechische Großmeister die Partie. Nach 78 Zügen fügte sich Vogel ins Unentschieden.

Geetha Narayanan Gopal, einer von drei Tabellenführern mit 5,5 Punkten. | Foto: Sandra Schmidt

Nun muss er sich die Tabellenführung mit zwei Spielern teilen. Mit vier Siegen in Folge hat sich Großmeister Geetha Narayanan Gopal nach ganz vorne geschoben. Der ehemalige indische Nationalspieler (unter anderem bei der Schacholympiade 2008 in Dresden) besiegte Moritz Weishäutel in einem Endpsiel mit Turm und ungleichfarbigen Läufern, das anfangs unschuldig aussah, das sich aber mehr und mehr zu Gunsten des Asiaten neigte.

Beim Blitz war er nicht zu stoppen. Im klassischen Schach hat er noch das letzte Drittel des Weges vor sich: Petro Golubka. | Foto: Sandra Schmidt

Dritter im Bunde ist der Ukrainer Petro Golubka, der am Vorabend mit seinem Sieg beim Blitzturnier für Aufsehen gesorgt hatte. Golubka schrieb jede Blitzpartie mit, auch die entscheidende gegen Ilja Schneider, die die zehnte von zehn Partien werden sollte, die er an diesem Abend gewann. Golubka siegte vor Pascal Karsay und Ilja Schneider. Diese drei gewannen die Geldpreise. Zahlreiche weitere Spielerinnen und Spieler freuten sich über von ChessBase gestiftete Sachpreise.

Turniersponsor ChessBase hatte eine ganze Reihe von Sachpreisen gestiftet. | Foto: Sandra Schmidt

Turnierdirektor Sebastian Siebrecht hat sich erzählen lassen, dass Golubka als absoluter Blitz-Spezialist gilt, der sich gelegentlich eigens für die Teilnahme an Blitzturnieren auf Reisen begibt. Die Partien mitzuschreiben, sei bei ihm die Regel, und dass er fast immer gewinnt, auch.

Offenbar ist auch bei langen Bedenkzeiten mit Golubka zu rechnen. Am Donnerstag knetete er mit aller Geduld sein günstiges Endspiel gegen FM Alex Dac-Vuong Nguyen bis zum vollen Punkt. In der siebten Runde trifft Golubka am zweiten Brett auf Kaido Kualots, während am ersten die Co-Führenden Vogel und Gopal gegeneinander spielen.

Das Feld bleibt vorerst dicht gedrängt. 11 Spieler mit 5 Punkten sind dem Spitzentrio auf den Fersen, dahinter 26 Spielerinnen und Spieler mit 4,5 Punkten. Auf den Brettern war einiges los, eine Auswahl:

f4 war schon der Anfang vom Ende einer klassischen Sizilianisch-Demontage. Tegernsee-Stammgast Dimitrios Mastrovasalis liegt mit nun 5 Punkten in Lauerstellung.

Die Münchner Gruppe um Bernard Czap im Analysezelt wird einiges zu analysieren gehabt haben. Ein Außenseitersieg, der hier Form annahm. 20.Lxb7 Tb8 21.c5! – nebst 22.c6. Ups, der Läufer hängt ja gar nicht.

Was für eine Prügelei zwischen Klaudia Kulon und Algi Acarbay! Auf den ersten Blick sieht es nach einem argen Durcheinander aus, auf den zweiten schält sich der Umstand heraus, dass Schwarz nach 25.Te7! nicht mehr viel machen kann.

Zu dieser Partie morgen mehr an dieser Stelle. Tykhon Cherniaiev hat sie für den Schönheitspreis eingereicht. Die zuständigen Ausschüsse werden ihre Einschätzung dieser Angelegenheit der Schönheitspreiskommission übermitteln, und noch vor der siebten Runde wird eine Entscheidung fallen.

Kenne die Klassiker! Diesen zum Beispiel:

La7 nebst Vertrippelung auf der a-Linie, Anatoli Karpows wahrscheinlich berühmtester Zug, gespielt 1974 in Nizza. Leidtragender war seinerzeit der deutsche Großmeister Wolfgang Unzicker.

Guido Guggenberger müssen wir das nicht erzählen. Wie einst Karpow versuchte er in seiner Viertrundenpartie, eine ganz ähnliche Konstellation auf der a-Linie zu schaffen. Allerdings, anders als einst Unzicker, rollte auf dem anderen Flügel der Außenseiter los. Und triumphierte!

Matthew Lee. | Foto: Sandra Schmidt

Matthew Lee schickt uns diesen Partiegewinn: