Aktuelle Infos und Beiträge zur OIBM

Von den sechs Spielern, die das Turnier vor der fünften Runde mit 100 Prozent der Punkte anführten, hat keiner den fünften Sieg nachgelegt. Drei Unentschieden in den drei Spitzenpartien hatten zur Folge, dass vor der sechsten Runde die Spitze bei den 27. Offenen Internationalen Bayerischen Meisterschaften zusammengerückt ist. Für viele Spielerinnen und Spieler war es der längste von neun Schachtagen am Tegernsee. An die fünfte Runde schloss sich das traditionelle Blitzturnier an (Bericht dazu morgen).

Auch durch die Brille oder mit der Lupe betrachtet, ergibt die Tabelle kein eindeutiges Bild: Nach fünf Runden mag sich niemand vom Feld absetzen, ein Favorit auf den Turniersieg zeichnet sich nicht ab. In der sechsten Runde werden die zehn punktgleich Führenden an den ersten fünf Brettern aufeinandertreffen. | Foto: Sandra Schmidt

Zehn Spieler führen das Feld mit 4,5 Punkten aus 5 Partien an, verfolgt von 21 Spielern und einer Spielerin mit 4 Punkten. Die Spielerin ist die ehemalige U10-Weltmeisterin Nutakki Priyanka aus Indien, die sich gegen das Lübecker Talent Levi Malinowski durchsetzte und damit Lena Georgescu an der Spitze der Frauenwertung ablöste.

Levi Malinowski stellte einen der schönsten Züge der fünften Runde aufs Brett (35.Txd4? cxd4 wäre gewonnen für Schwarz), aber das brachte seine Gegnerin nicht aus dem Gleichgewicht.

Nutakki Priyanka trifft jetzt auf den georgischen Schnellspieler Giga Quparadze, der in der fünften Runde einen neuen Bedenkzeitrekord aufstellte. 1 Stunde und 41 Minuten zeigte Quparadzes Uhr, als nach 36 Zügen sein Gegner Klaus Zeier aufgab.

Nutakki Priyanka hat die Drittrundenniederlage gegen Dmitrij Kollars offenbar weggesteckt. Mit 4/5 führt sie jetzt die Frauenwertung an. | Foto: Sandra Schmidt

Lena Georgescu erlebte einen bitteren Abend. Gegen Roven Vogel spielte die Schweizerin eine blitzsaubere Partie, in der der Mehrbauer des Großmeisters nur symbolischen Wert hatte. Aber auch mit einem Blick auf seinen Zeitvorteil knetete der Dresdner das Endspiel ausgiebig, bis sich auf Seiten seiner Gegnerin Ungenauigkeiten einschlichen. Nach 94 Zügen hatte Vogel sich den vollen Punkt gesichert und mit den bis dahin Führenden gleichgezogen.

Über h4, h5, h6 bis nach g7 ließ Eltaj Safarli seinen h-Bauern laufen. Titas Stremavacius machte derweil gesunde Züge – und stand gesund.

Als erste der drei Spitzenpartien war die zwischen Eltaj Safarli und Titas Stremavicius beendet. Safarlis Anti-Sizilianisch-Rezept sah gefährlich aus, aber es kostete den Aseri einige Zeit, seinen h-Bauern über h6 bis nach g7 laufen zu lassen. Diese Zeit nutzte Titas Stremavicius, um sich zu entwickeln und seinerseits Drohungen aufzustellen. Bevor die Angelegenheit nach hinten losgeht, sandte Safarli nach seinem 13. Zug ein Remisangebot über den Tisch, das Stremavacius annahm.

Ein Schock nur für die Zuschauenden im Internet. Kollars hat nicht den Springer g4 eingestellt. Wahrscheinlich war es ein Übertragungsfehler.

Die Partie zwischen Elham Amar und Dmitrij Kollars am ersten Brett bereitete nur denen einen Schockmoment, die die Live-Übertragung im Internet verfolgten. Dort sah es aus, als habe Kollars im 26. Zug die Partie eingestellt. Aber es wird sich um einen Übertragungsfehler gehandelt haben. Auf dem Brett war das Gleichgewicht zu keiner Zeit gestört. In einem ausgeglichenen Bauernendspiel schlossen die Kontrahenten Frieden. Nach Wertung führt Kollars als einziger Spieler mit einer 2700-Performance das Feld an.

Im Duell zwischen Marius Deuer und Rinat Jumabayev blieben einige trickreiche Abwicklungen hinter den Kulissen. Auch diese Partie mündete in ein ausgeglichenes Endspiel mit ungleichfarbigen Läufern, in dem sich die Kontrahenten nach 32 Zügen auf remis einigten. Deuer ist jetzt Wertungszweiter mit einer 2694-Performance.

GM Jacek Stopa. | Foto: Sandra Schmidt

Dank dieser drei Unentschieden war für die Spieler mit bis dahin 3,5 Punkten die Tür offen, mit den Führenden gleichzuziehen. Nicht nur der bereits erwähnte Roven Vogel nutzte diese Chance, auch ein polnisches Trio: Die GM Kacper Piorun, Bartlomiej Heberla und Jacek Stopa landeten starke Angriffssiege, die sie auf 4,5/5 katapultierten. In der sechsten Runde werden an den fünf ersten Brettern die zehn Führenden unter sich sein.

16.Sxd5! nebst Dh5+ und Lxd5+ mit riesigem Angriff war für Problemlöse-Weltmeister Kacper Piorun eine einfache Aufgabe.

Momente der 5. Runde:

Ein schönes Finish von Keyvan Farokhi, das ihm unmittelbar die Partie gewann. Mit zwei Bauern weniger wollte Schwarz nicht weiterspielen.

Keymerbesieger Gerlef Meins zog gegen Dietmar Fauth den Kürzeren, eine großartige Partie, von der morgen an dieser Stelle noch zu reden sein wird. 19…Sxe5! (auf e5 stand ein Bauer) war für Weiß der Anfang vom Ende.

1.a3 g6 – so fing die Partie zwischen Wolfgang Jekel und Ioannis Papadopoulos an. Schwarz gewann, und Turnierüberraschung Jekel fiel ins Feld zurück.

Bodens Matt, wer kennt es nicht – auch dieses Werk wird morgen an dieser Stelle eine Rolle spielen.

Schönste Partie des Tages? Robert Heigermoser hat zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Beitrags noch keine Ambition in Sachen Schönheitspreis erkennen lassen.

Eine der packendsten Partien der vierte Runde der Offenen Internationalen Bayerischen Meisterschaft am Tegernsee war die zwischen dem indischen Großmeister Kartihk Venkataraman, Nummer drei der Setzliste, und dem deutschen Talent Marius Deuer. Das komplexe Gefecht mündete in ein Wettrennen um die Umwandlung. Beide Spieler brachten eine neue Dame aufs Brett. Theoretisch war die Stellung remis, aber praktisch…

Gunny kommentiert:

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Vor jeder Partie einen einstündigen Spaziergang. Das habe schon Botwinnik empfohlen, sagt Rinat Jumabayev – und hält sich daran, am Tegernsee umso lieber. Der kasachische Großmeister genießt die Aussicht auf den See und die Schönheit der Natur, bevor ab 16 Uhr sein ganzer Fokus dem Schachbrett gilt. Nach der dritten Runde fand Jumabayev die Zeit für ein Interview.

Rinat Jumabayev. | Foto: Sandra Schmidt

Rinat, willkommen zurück. Du hast schon 2017 hier gespielt.

Ja, das war eine lustige Geschichte.

Erzähl!

Wir waren fünf Spieler, die zu spät zur ersten Runde kamen, weil unser Flug aus Korsika in letzter Minute gestrichen wurde. Wir hatten vorher ein Turnier in Bastia gespielt, und als unser Morgenflug abgesagt wurde, mussten wir bis abends warten, um nach Wien zu fliegen. Die Nacht verbrachten wir in Wien und fuhren am nächsten Morgen weiter nach München. Letztendlich kamen wir eineinhalb Stunden vor Beginn der zweiten Runde an, aber die erste Partie hatten wir verpasst.

Trotz der damit verbundenen kampflosen Null hast du dich nach vorne gekämpft.

Sechs Partien in Folge gewonnen, fast sogar die siebte. Doch mein Gegner rettete sich, und damit war ich aus dem Kampf um den Turniersieg ausgeschieden.

Auch diesmal war es mit deiner Ankunft knapp.

Eigentlich hatte ich das Turnier nicht geplant. Direkt vor der 27. OIBM habe ich zwei Open in Norwegen und Frankreich gespielt. Ich hatte schon einen Rückflug nach Hause gebucht, als Sebastian Siebrecht mich kontaktierte. Dann habe ich spontan meine Pläne geändert. Jetzt bin ich hier.

Und?

Die Organisatoren geben sich viel Mühe, den Spielern eine angenehme Atmosphäre zu bieten. Es sind über 500 Spielerinnen und Spieler hier. Ich fühle, wie sehr unser Sport hier geschätzt wird. Die Atmosphäre ist fantastisch, und es ist schön zu sehen, wie viele Menschen hier Schach lieben. Ich hoffe, dass ich in Zukunft wiederkommen kann.

Wie sieht dein Tagesablauf während des Wettbewerbs aus?

Dieses Mal achte ich mehr auf die Umgebung und die Schönheit der Natur, was ich 2017 nicht so bewusst wahrgenommen habe. Vor jeder Partie unternehme ich einen Spaziergang und genieße die Aussicht auf den See. Außerdem glaube ich, dass mir die Spaziergänge helfen, mich auf die Partien einzustellen. Schon Botwinnik hat empfohlen, vor jeder Partie eine Stunde spazieren zu gehen. Das probiere ich jetzt aus und hoffe, dass es mir hilft, gute Ergebnisse zu erzielen.

Endstation Jumabayev: Für Fabiano Caruana war dieses Drittrundenmatch das letzte im World Cup 2021. | Foto: FIDE

Als Schachfan kann ich dir genau sagen, wann du zum ersten Mal groß auf meinem Radar aufgetaucht bist: als du 2021 im World Cup Fabiano Caruana besiegt hast. Dein größter Sieg bisher?

Der World Cup 2021 war wohl eines meiner besten Turniere. Das Match gegen Caruana war besonders, aber es gab auch andere, zum Beispiel gegen Alexander Motylev. Auf das Match gegen Caruana in der dritten Runde hatte ich mich einen Monat lang vorbereitet. Ich war mir sicher, dass ich auf ihn treffen würde.

Einen Monat Vorbereitung – auf die dritte Runde?!

Ja, ich hatte das Gefühl, dass ich die erste Runde gegen einen schwächeren Gegner, einen FIDE-Meister, gewinnen sollte. In der zweiten Runde würde ich dann auf Motylev treffen. Aber ich wollte vor allem sicherstellen, dass ich für die dritte Runde gegen Caruana bereit bin. Wie es dann so oft ist, spielte Caruana eine Variante, die er vorher noch nie angewendet hatte, sodass vieles meiner Vorbereitung nicht zum Einsatz kam. Gewonnen habe ich trotzdem. Bestimmt war es ein Faktor, dass Caruana sich nicht warmspielen konnte. Sein Gegner in der Runde zuvor musste wegen eines positiven Covid-Tests aussetzen. Das war ein Vorteil für mich.

Im kasachischen Schach scheint einiges in Bewegung zu sein. Wie geht es unserem Sport in deiner Heimat?

Darüber möchte ich lieber nicht sprechen. Meine Zusammenarbeit mit dem kasachischen Schachverband habe ich beendet und bin nicht mehr Teil des Nationalteams. Ich konzentriere mich nur noch auf meine eigenen Ziele und vertrete mein Land auf eigene Faust international.

Hier bist du gut ins Turnier gestartet. Drei Runden und drei Siege – zufrieden?

Ja, die ersten Runden liefen sehr gut. Heute, in der dritten Runde, hatte ich etwas Glück. Mein Gegner hat in der Zeitnotphase Fehler gemacht, die mir geholfen haben, die Initiative zu übernehmen. Gestern spielte ich eine schöne, strategische Partie, die wirklich Spaß gemacht hat (siehe kommentierte Partie unten). Wegen solcher Partien liebe ich das Schachspiel.

Dein Plan für die kommenden Tage kann nur der Turniersieg sein.

Natürlich, aber das wird nicht leicht. Viele starke Spieler hier wollen ebenfalls gewinnen. Wenn ich jedoch weiterhin auf dem Niveau der ersten drei Partien spiele, glaube ich, dass ich eine gute Chance habe, das Turnier erfolgreich abzuschließen.

Jumabayevs Zweirundenpartie, von ihm kommentiert:

 

„Wenn es nicht zu einseitig ist“, schreibt Benjamin Rücker, dürfe diese Partie aus der vierten Runde gerne hier veröffentlicht werden. Und liefert fundierte Kommentare zu seinem Werk gleich mit, das sich etwa so beschreiben lässt: Figurenopfer, König in der Mitte festgenagelt, Qualitätsopfer hinterher und zum Finale eine Mattjagd. Einseitig, durchaus, aber sehr schön.

Schönheitspreis für Benjamin Rücker und die hier abgebildete Partie. | Foto: Sandra Schmidt

Für Schachamateure gibt es kaum eine größere Freude, als erstickt mattzusetzen. Und es passiert ja in der Praxis gelegentlich, zumindest beim Blitz. Aber in einer Turnierpartie? Benjamin Rau hatte in der dritten Runde das Vergnügen. Auch wenn es zum Matt nicht mehr kam, sein Gegner gab auf, hat Rau doch die Partie eingesandt, auf dass sie hier präsentiert wird.

Benjamin Rau. | Foto: Sandra Schmidt

So allgemein bekannt das erstickte Matt ist, so wenig geläufig dürfte der schwarze Löwe im Schach sein, die „Black Lion“-Verteidigung. Das hängt damit zusammen, dass der schwarze Löwe gar keine richtige Eröffnung ist, sondern eine Mischung aus Philidor und Pirc, abgestellt auf aggressive Spieler, die gerne Königsangriffe vom Zaun brechen. „Nicht ganz vollwertig, aber interessant“, so beschreibt Lars Heppert den schwarzen Löwen – und reicht eine kommentierte Partie aus der ersten Runde nach. Darin hat der Löwe ordentlich zugebissen.

Lars Heppert. | Foto: Sandra Schmidt