Vogel vorne!
Fünf Runden sind gespielt, und wir haben erstmals einen alleinigen Spitzenreiter. Roven Vogel führt das Feld mit fünf Punkten an, verfolgt von einer siebenköpfigen Gruppe von Spielern mit 4,5 Punkten. Am Donnerstag wird Vogel seine Pole Position mit den schwarzen Steinen gegen Großmeister Jiri Stocek verteidigen müssen – und seine gute Ausgangsposition, um den Wettbewerb womöglich mit einer GM-Norm abzuschließen.
Von den fünf Spielern, die mit 4/4 an Front lagen, war Vogel der einzige, dem ein Sieg gelang. Mit den weißen Steinen gegen Dieter Morawietz erspielte sich Vogel früh ein wenig Druck, aber kritisch wurde die schwarze Stellung erst, als Morawietz’ Versuch, Gegenspiel aufzuziehen, sich in erster Linie als Schwächung der eigenen Bastion entpuppte.
Einige der nominellen Favoriten tun sich weiter schwer, was ganz wesentlich mit starken Leistungen der Außenseiter zu tun hat. Ludwig Deglmann (Elo 2243) hätte durchaus erwägen können weiterzuspielen, als er sich gegen Maxime Lagarde (2626) mit einer Zugwiederholung zufrieden gab.
Deglmann ist mit 3,5/5 und einer Performance über 2400 ein weiterer derjenigen Spieler, für die am Horizont die Norm-Perspektive erscheint. Ein anderer ist FM Moritz Weishäutel. Der 19-jährige Erfurter fragte Lars Goldbecks Theoriekenntnisse im Panow-Angriff ab, zwar mit mäßigem unmittelbaren Erfolg, aber später, als es galt zu rechnen, anstatt zu wissen, sollte sich Goldbeck doch im Variantengestrüpp verheddern.
Die OIBM 2023 ist wahrscheinlich die weiblichste jemals – in der Spitze wie in der Breite. An Brett 21 gab es in der fünften Runde ein rein weibliches Duell zu sehen. Jolanta Zawadzka besiegte Steffi Arnhold, liegt mit 4/5 auf IM-Norm-Kurs. Am Donnerstag wartet Großmeister Christian Bauer, der nach seiner Niederlage am Dienstag (siehe Bericht gestern) mit einem vollen Punkt zurückkam.
Drei in der Schachszene bekannte Besucher schauten am Mittwoch vorbei. Teil einer italienischen Delegation waren Turnierorganisatorin Cristina Rigo und Weltmeisterschaftsschiedsrichter Gerhard Bertagnolli, der beim Match zwischen Ding Liren und Ian Nepomniachtchi als Unparteiischer dafür gesorgt hat, dass es regelgerecht zugeht. Außerdem war mit Großmeister Gerald Hertneck, Leistungssportreferent des DSB, ein der OIBM seit Jahren als Spieler unter Unterstützer verbundener Schachfreund zu Gast. Vielleicht ja im nächsten Jahr wieder als Spieler?
Dass mit Petro Golubka ein Großmeister das Blitzturnier gewann, sollte keine Überraschung sein – aber so? Golubka dürfte einer der ganz wenigen, wenn nicht der einzige Schachspieler auf dem Planeten Erde sein, der Blitzpartien mitschreibt. Das hielt ihn nicht davon ab, in der letzten Runde Blitzspezialist Ilja Schneider zu besiegen und den Wettbewerb als Erster zu beenden.