Vor der fünften Runde: die Griechenland-Connection

Lange sah es aus, als hätten wir schon nach der vierten Runde einen alleinigen Spitzenreiter. Der spanische Elo-Favorit Jaime Santos-Latasa segelte mit den schwarzen Steinen recht bald einem komfortablen Sieg über IM Szymon Gumularz entgegen, während es bei allen anderen Hundertprozentigen nach Punkteteilung roch.

Spanischer Nationalspieler: Jaime Santos Latasa. | Foto: Sandra Schmidt

Dann fand die GM-Begegnung am dritten Brett doch einen Sieger. Denis Kadric (Bosnien und Herzegowina) schlug Ori Kobo (israel) und schloss zum Spanier auf. Jetzt stehen die beiden alleine ganz oben, und zumindest die Paarung am ersten Brett der fünften Runde wird seitens der Teilnehmer keine Fragen zu den Paarungen aufwerfen (siehe Regel-Ecke mit Gregor Johann): Die beiden Führenden treffen aufeinander, und mindestens einer der beiden wird am Abend des 3. November nicht mehr bei 100 Prozent stehen.

Geboren in Frankfurt/Main, bosnischer Nationalspieler: Denis Kadric. | Foto: Sandra Schmidt

Welche Aufmerksamkeit die Offene Internationale Bayerische Meisterschaft international zu erzeugen vermag, erfährt jetzt ausgerechnet der einzige Exweltmeister im Feld, Schachproblem-Großmeister und IM Arno Zude. Dessen siebenzügige Königsgambit-Niederlage in der dritten Runde gegen Leon Mons machte nicht nur in deutschen Schachkreisen die Runde. Nach wenigen Stunden hatte sie die indische Schachszene erreicht:

Hallo, Indien?! हेलो इंडिया?!

Vielleicht berichtet in Asien ja auch jemand davon, wie überzeugend Zude nach diesem Aussetzer zurückgekommen ist. In der vierten Runde gegen FM Mark Smits aus Holland waren gerade einmal 15 Züge vergangen, dann stand Zude auf Gewinn. Mit drei Punkte aus vier Partien ist noch alles drin, dazu kommt ein, Stand jetzt, Eloplus von sieben Punkten.

15 Köpfe stark ist jetzt das Feld der direkten Verfolger, darin findet sich ein in diesen Höhen nicht zu erwartender Exot mit einem Elo unter 2000: Erik Deues von Schachklub Germering hatte die Partie gegen die Slawische Verteidigung des großen-kleinen Favoriten FM Marius Deuer (13) hartnäckig in der Waage gehalten. Am Ende stellte der Favorit gar die Dame ein. Heute wird sich Deues in die Riege der Titelträger an den vorderen 20 Brettern einreihen.

Dimitrios Mastrovasilis. | Foto: Sandra Schmidt

Teil dieser Titelträger-Riege ist ein griechisches Bruderpaar, die großmeisterlichen Gebrüder Dimitrios und Athanasios Mastrovasilis aus Thessaloniki, die eigentlich zu dritt hatten anreisen wollen. Aber ihr griechischer Großmeisterkollege Stelios Halkias musste kurzfristig absagen.

Die Anwesenheit der Brüder ist auf Turnierdirektor Sebastian Siebrechts bis nach Griechenland gespanntes Schach-Netz zurückzuführen. Früher habe er griechische Liga gespielt, außerdem sei er seit Jugendjahren mit Georgios Souleidis befreundet, der heute bekanntlich sogar als „großer Grieche“ firmiert. Weil der Draht so kurz war und die Beziehung so freundschaftlich, hat Siebrecht die griechische Meisterriege nach Bayern gelotst.

Und dort sammeln die Brüder nun Punkte. Dimitrios Mastrovasilis, mit 2614 Elo der stärkere der beiden, hatte früh Druck gegen den Deutschen Meister Jonas Rosner aufgebaut. Allerdings hielt der Ettlinger zäh, bis nach 64 Zügen tief im Endspiel nichts mehr zu halten war. Ob uns Rosner auch diese Partie auf seinem YouTube-Kanal vorführt?

Athanasios Mastrovasilis. | Foto: Sandra Schmidt

Bis tief ins Endspiel musste Athanasios Mastrovasilis gegen Hertneck-Besieger Michal Redzisz nicht kämpfen. Er entfachte aus seiner Isolani-Stellung das, was diejenigen fürchten, die gegen den Isolani spielen: eine Attacke auf die Rochadestellung. Und die schlug sehr bald durch:

20.Sxe6! +-

Ein Mitglied der griechischen Delegation am Tegernsee kommt übrigens aus München: die junge Maria Tsakona (15) spielt für den ältesten Sportverein Bayerns, den gerade in die Bundesliga aufgestiegenen Münchner SC 1836.

Für einen Einsatz in der ersten Mannschaft an der Seite von unter anderem Alireza Firouzja wird es bei Maria Tsakona zumindest in der kommenden Saison noch nicht reichen, aber wozu sie in der Lage ist, das deutet sie an: Nach drei Runden standen perfekte 3/3 zu Buche, und es bedurfte in der vierten Runde eines Bundesligaspielers, Nikolas Wachinger vom SV Werder Bremen, um der jungen Dame (Elo 1626) den ersten Punkt abzunehmen. Würde das Turnier jetzt abgebrochen, Tsakona könnte auf eine 2257-Performance stolz sein und auf ein Eloplus von 102 (!) Punkten ebenso.

Maria Tsakona. | Foto: Sandra Schmidt

Der Spitzenstand nach vier Runden (via chess-results):

1 1
GM Santos Latasa Jaime ESP 2635 0 Leon 4,0 2403 8,0
2 5
GM Kadric Denis BIH 2553 0 Vogosca 4,0 2383 8,5
3 3
GM Delgado Ramirez Neuris PAR 2596 0 Blumenau 3,5 2399 9,5
4 9
IM Noe Christopher GER 2530 2539 SC Eppingen 3,5 2388 8,5
5 7
GM Mons Leon GER 2536 2505 MSA Zugzwang 82 3,5 2363 9,0
6 13
GM Nestorovic Nikola SRB 2467 2483 BCA Augsburg 3,5 2351 8,5
7 23
IM Zysk Robert GER 2398 2425 MSA Zugzwang 82 3,5 2333 8,0
8 4
GM Guliyev Namig AZE 2555 2560 SC Eppingen 3,5 2316 8,5
9 2
GM Mastrovasilis Dimitrios GRE 2614 2616 SK König Plauen 3,5 2292 6,5
10 10
GM Mastrovasilis Athanasios GRE 2523 0 Thessaloniki 3,5 2257 7,5
11 18
IM Meins Gerlef GER 2424 2426 SAbt SV Werder Bremen 3,5 2178 7,5
12 25
IM Morawietz Dieter GER 2396 2401 Klub Kölner Sfr. 3,5 2176 6,5
13 183
Deues Erik GER 1929 1933 SK Germering 3,5 2155 7,0
14 27
IM Seul Georg GER 2374 2343 SV 03/25 Koblenz 3,5 2141 7,0
15 29
FM Hacker Jonas GER 2371 2377 SC Eppingen 3,5 2131 8,0
16 33
FM Costa Leonardo GER 2336 2331 BCA Augsburg 3,5 2130 8,0
17 37
Wachinger Nikolas GER 2313 2324 SAbt SV Werder Bremen 3,5 2076 7,5