Wer den Caro besser kann

Wer einem nominell deutlich stärkeren Spieler gegenübersitzt, der kann eigentlich nur einen Fehler machen: Wie das Kaninchen vor der Schlange spielen, mauern, auf einen halben Punkt spekulieren. Angst essen Außenseiter auf, ein derartiges Vorgehen wird fast immer zu einer Null führen, und das zu Recht. Auf einen nominell deutlich stärkeren Spieler zu treffen, bedeutet die Chance, im Kampf mit so einem Spieler zu lernen und daran zu wachsen. So eine Chance sollte niemand verschenken.

Mit Ach und Krach: Daniele Vocaturo kann heilfroh sein, dass er am Ende seiner Partie gegen Julius Ohler doch noch den ganzen Punkt einstrich. Danach hatte es über weite Strecken des Vergleichs überhaupt nicht ausgesehen. | Foto: Sandra Schmidt

Außerdem ist die Chance auf Zählbares größer, wenn der stärkere Spieler Komplikationen zu bewältigen hat, in denen ihm Fehler unterlaufen können. Der Großmeister auf der anderen Seite des Brettes mag ja mehr wissen, tiefer verstehen, tiefer und schneller rechnen – trotzdem: Sie kochen alle nur mit Wasser, und sie spielen nach denselben Regeln

Julius Ohler hat in der sechsten Runde demonstriert, wie eine Partie gegen einen 500 Elo stärkeren Gegner anzulegen ist: nicht anders als eine Partie gegen einen Gegner auf Augenhöhe. Und siehe da, der 15-Jährige gewann sogar die Eröffnung, ein hochtheoretisches Caro-Kann, gegen niemand Geringeren als die Nummer eins Italiens. Dann ein mutiges Turm- bzw. Qualitätsopfer für gewaltigen Angriff. Dass am Ende trotzdem eine Null stand – egal. Starke Partie!