Wer hat an der Uhr gedreht oder “Fischer kurz”
Ein Beitrag von Schiedsrichter Robert Siller
Die häufigste Frage bei dieser OIBM, die zwischen 19.15 Uhr und ca. 19.30 Uhr an mich gestellt wurde betrifft die Bedenkzeit. Kurz vor der Zeitkontrolle um 19.40 Uhr zum 40. Zug wird gefragt: „Bekomme ich noch Zeit?“ oder „ Is there any extra time?“.
Meine lange standardisierte Antwort beginnt immer, dass wir Fischer-Kurz spielen: „Jeder Spieler hat 90min für 40 Züge und dann dreißig Minuten Zusatzbedenkzeit, sowie 30sek/Zug über die ganze Partie. Aber die 30 Minuten Zusatzbedenkzeit kommen erst auf die Uhr, wenn das erste Blättchen gefallen ist. Das Blättchen fällt auch nach dem 40. Zug. Erst dann gibt es die Zusatzbedenkzeit von 30 Minuten.“
Verwunderte Augen schauen mich immer an und fragen meist nochmal: „Bekomme ich noch Zeit?“ oder „ Is there any extra time?“
Mit der einfachen Aussage „Ja, es kommen nochmal 30 Minuten“ oder „extra time 30 minutes“ sind die Spieler zufrieden und gehen glücklich (denn sie bekommen ja noch Zeit!) wieder an ihr Brett.
Hierzu hat sich folgendes in der dritten Runde zugetragen:
Der Spieler mit den weißen Steinen kommt zu mir als Schiedsrichter und sagt, sein Gegner habe grundlos die Uhr angehalten und er wisse nicht was los sei! Ich gehe an das Brett und frage den Spieler mit den schwarzen Steinen, was denn los sei. Dieser deutet auf die Uhr mit der angezeigten Fahne beim Gegner!
Nach Klärung, dass wir uns in Englisch unterhalten sollten, hat der Spieler mit den schwarzen Steinen erklärt, dass er seinen Sieg auf Zeit reklamiert. Grund ist die erschienen Fahne. Deshalb habe er die Uhr angehalten.
Wie die Mitschriften der Partie zeigen, befindet sich die Partie im 44. Zug. Beide Spieler haben die erste Zeitkontrolle im 40. Zug schon längst eingehalten, als das Blättchen fiel.
Der Spieler mit den schwarzen Steinen sieht es ein, und der Spieler mit den weißen Steinen erhält zwei Minuten Zeitgutschrift, da sein Gegner unberechtigterweise die Uhr angehalten hat. Die Partie geht erst viel später mit einem erspielten Sieg des schwarzen zu Ende.
Hier kommt die Funktion der DGT3000 (Brett 1-44 OIBM) oder der DGT2010 (ab Brett 45 OIBM) oder auch von jeder anderen Regelkonformen FIDE-Schachuhr zum Tragen:
- Die Fahne (früher auch Blättchen genannt) wird immer angezeigt, wenn der erste Spieler 90 Minuten + Zusatzzeit von 30sek./Zug aufgebraucht hat. Die erste Bedenkzeit ist also auf null abgelaufen.
- Die Zusatzbedenkzeit von 30 Minuten wird immer nach dem ersten Aufbrauchen einer Bedenkzeit und unabhängig von der Zügezahl aufaddiert!
- Ist die Partie bis Zug 39 und eine Fahne wird angezeigt, dann ist die Partie durch Zeitüberschreitung beendet. Das Ergebnis muss noch geklärt werden!
- Hat der Spieler mit den weißen bzw. schwarzen Steinen seinen 40. Zug auf dem Brett ausgeführt, hat die Uhr gedrückt und KEINE Fahne ist zu sehen, dann hat er jeweils die Zeitkontrolle geschafft und kann weiterspielen.
- Hat der erste Spieler den 41. Zug oder mehr ausgeführt und die Fahne erscheint, dann haben beide Spieler definitiv die ERSTE Zeitkontrolle geschafft und spielen weiter!
- Fällt das Blättchen zum zweiten Mal, dann ist die Partie mit Zeitüberschreitung eines Spielers immer zu Ende.
- Für einen Sieg muss der Gegner jeweils noch eine theoretische Zugfolge zum Matt erzielen können, sonst ist die Partie nur Remis.
Eigentlich ganz einfach, aber sehr schwierig zu erklären!