Aktuelle Infos und Beiträge zur OIBM

Im Schach gibt es nichts, zu dem es keine Statistik gibt. Und so erfahren wir, dass Liya Kurmangeliyeva mit ihrem gestrigen Sieg über Maxime Lagarde die Frau mit dem niedrigsten Rating ist, die in diesem Jahr einen 2600-Großmeister geschlagen hat. Offen ist die Frage, war das eine Eintagsfliege, eine herausragende Leistung, die sie so schnell nicht wiederholen kann?

Liya Kurmangeliyeva. | Foto: Sandra Schmidt

Eine Antwort darauf konnte sie in der dritten Runde im Duell mit einem IM, dessen bisheriges Elo-Hoch bei 2485 steht, schwerlich geben. Aber sie gibt uns eine Ahnung, dass mit ihr weiterhin zu rechnen sein wird. Nach 15 Zügen hatte sie sich riesigen Angriff erspielt, und es ist schade, dass Schwarz unter diesem Druck die Partie sogleich wegwarf. Es war so schon von der Eröffnung an hochinteressant, und so hätte es gerne weitergehen dürfen.

Keine Premiere in der deutschen Schach-Nationalmannschaft hat ein solches Medienecho hervorgerufen wie die von Hussain Besou im April 2023 beim Mitropa-Cup. Rauf und runter lief die Schlagzeile vom “elfjährigen Nationalspieler”. Fast alle großen Zeitungen und Zeitschriften griffen die Geschichte auf, auch die Tagesschau berichtete auf ihrer Website.

Natürlich ist Hussain Besou, mittlerweile zwölf Jahre jung, noch lange nicht dort angekommen, wo die “richtigen” Nationalspieler um Vincent Keymer sind. Aber das Ausnahmetalent aus Lippstadt mag sich auf dem Weg dahin befinden. Am Tegernsee bei der Offenen Internationalen Bayerischen Meisterschaft will er einen weiteren Schritt dieses Weges gehen.

Hussain Besou (r.) mit seinem Bruder Jad und Vater Mustafa vor Beginn der dritten Runde. | Foto: Sandra Schmidt

Hussain, willkommen am Tegernsee. Deine Premiere hier. 

Ja, ich spiele hier zum ersten Mal. Dem ersten Eindruck nach ist es wunderschön hier. Jetzt wollen wir mal schauen, wie es beim Schach läuft.  

Deine Ziele? 

Eine IM-Norm wäre natürlich toll, aber da mache ich mir keinen Druck. Wenn das nicht klappt, ist es auch okay. Ich will einfach gut spielen und würde gerne Elo gewinnen. 

Wie war dein Schachjahr bislang? 

Anfang des Jahres stand ich bei 2348 Elo, jetzt bei 2350, Rating habe ich also kaum gewonnen. Aber ich hatte die Möglichkeit, zwei GM-Turniere und einige IM-Turniere und Open zu spielen, außerdem beim Mitropa-Cup in der deutschen Mannschaft. Insofern würde ich sagen, es war schon ein gutes Jahr. 

1.d2-d4, Hussain Besous erster Zug in seiner ersten Partie für die Nationalmannschaft, festgehalten von Bundesjugendtrainer Bernd Vökler. Im Video: die kommentierte Partie, die im Match gegen Tschechien nach 1.d2-d4 folgte.

Wie verbindest du Schule und Schach?

Meistens bekomme ich von der Schule eine Beurlaubung, wenn wichtige Wettbewerbe anstehen. Ich muss dann natürlich nacharbeiten, was ich verpasst habe, aber das funktioniert ganz gut. 

In Dortmund hast du beim Schachfestival auf der großen Bühne gespielt, das war sicher ein Erlebnis. 

Das war schon schön. Aber in meiner Erinnerung hängengeblieben ist vor allem die unnötige Niederlage gegen DinaraWagner. Die musste natürlich nicht sein. 

Wohin soll deine Schachreise gehen? 

Mal gucken. Besser zu werden, geht immer. Den Großmeistertitel möchte ich auf jeden Fall schaffen. Ich spiele einfach so gut, wie ich kann, und dann sehen wir, was herauskommt.  

Großmeister besiegen kannst du jedenfalls schon. 

Ja, das ist mir beim Mitropa-Cup gelungen, auch beim GM-Turnier in Erkenschwick. Fünf Großmeister, glaube ich, habe ich schon besiegt. 

Gegen Georgios Souleidis bei den Dortmunder Schachtagen. | Foto: Paul Meyer-Dunker

Wie läuft dein Training ab?  

Matthias Krallmann ist mein Trainer, aber ich trainiere auch alleine. Taktiktraining mache ich meistens online, aber sonst eher aus Büchern. Die sind manchmal schon ein bisschen älter, aber ich finde sehr interessant, was man darin finden kann.  

Und dann baust du dir ein Brett auf, Buch daneben, ganz klassisch?  

Ja. Artur Jussupow hat mir gesagt, ich solle mit Büchern arbeiten und lernen, was darin steht. So mache ich es bis heute. 

Gib uns einen Tipp. Mit welchem Schachbuch arbeitest du gerade? 

Ich weiß jetzt gar nicht, wie es heißt, irgendetwas mit “structures”, Moment… (greift hinter sich) Hier, das ist gerade mein Schachbuch: “Chess Structures” von Mauricio Flores Rios. 

Ah! Ich könnte jetzt auch in den Schrank hinter mir greifen und das gleiche Buch hervorholen. Leider steht es bei mir nur im Schrank. 

Tja… 

Deine Vorbereitung auf die Partien läuft aber schon an Computer? 

Ja, natürlich, mit Datenbank und so weiter. Abends schaue ich, gegen wen ich am nächsten Tag spielen muss. Die eigentliche Vorbereitung erledige ich dann am nächsten Morgen.  

Was sind deine Pläne für die nächsten Monate? 

Erstmal möchte ich hier gut spielen. Im November dann die Jugendweltmeisterschaft in Italien. Nächstes Jahr, mal sehen. Vielleicht bekomme ich die Gelegenheit, an einem GM-Turnier in Tschechien teilzunehmen. Das Grenke-Open, wenn es stattfindet, fände ich auch spannend.  

Im 28.Zug den Turm zu nehmen, das sei ein Fehler gewesen, stellte Lukas-Benedikt Merenda nach Aussage seines Vaters Stefano fest. Und es stimmt ja auch. Statt des Materialgewinns stand ein Matt in vier Zügen auf dem Brett (nicht allerdings eines in zwei, das Beobachter meinten erspäht zu haben). Andererseits: Gewonnen war die Stellung am Ende einer furiosen Angriffspartie auch so.

Lukas-Benedikt Merenda, Gewinner des Schönheitspreises für seinen Zweitrundensieg. | Foto: Sandra Schmidt

Den Tegernsee unterscheidet von anderen Seen in Oberbayern, dass seine Ufer fast vollständig öffentlich zugänglich sind. Dazu kommt, der See im Landschaftsschutzgebiet “Schutz des Tegernsees und Umgebung” ist einer der saubersten Bayerns. Diese beiden Qualitäten, die für einen Besuch in Gmund sprechen, hat Kateryna Dolzhykova schon ausgekostet.

Vor der zweiten Runde haben die Deutsche Meisterin und ihr ebenfalls meisterlich Schach spielender Lebensgefährte Samuel Weber der Kälte des Tegernseewassers getrotzt. Ob das dem Schach geholfen hat? Beide haben ihre Partie am Sonntag gewonnen. Dolzhykova ist mit 2 Punkten aus 2 Partien gar ganz vorne dabei. Am Montag wird sie eine von fünf Frauen an den ersten acht Brettern sein.

Kateryna Dolzhykova und Samuel Weber vor der zweiten Runde, die beide siegreich bestritten. | Foto: Sandra Schmidt

Vor der Partie der zweiten Runde nahm sich Kateryna Dolzhykova ein wenig Zeit für ein Gespräch:

Kateryna, willkommen am Tegernsee. Wie ist dein erster Eindruck?

Die Natur, fantastisch! Die Berge, der See, ich bin beeindruckt, überwältigt fast, es gefällt mir sehr. Seitdem ich hier bin, geht es mir noch besser als zuvor. Gerade waren wir im See schwimmen. Es ist wirklich märchenhaft, in dieser Umgebung ein Turnier zu spielen. 

Schwimmen? Ende Oktober? 

Keine Strecke. Wir sind zum Ufer spaziert und dann rein ins Wasser für zwei, drei Minuten. Das ist gesund. 

Glaubst du, das hilft dem Schach? 

Körperlich in Form zu sein, ist wichtig, wenn du ambitioniert Schach spielst.   

Wie kam es dazu, dass du teilnimmst? 

Mein Freund Samuel Weber hat die OIBM schon gespielt, er mag das Turnier und hat vorgeschlagen, dass wir gemeinsam herkommen. So bin ich auf die OIBM aufmerksam geworden. Und ich verstehe auch schon, warum Samuel es hier mag. Großartig, ein stark besetzter Wettbewerb mit vielen Großmeistern, gut organisiert, und dann noch diese Umgebung. 

Du warst 2011 Meisterin der Ukraine, 2021 nochmal, hast Schach aber nie professionell betrieben. 

Jedenfalls nicht ausschließlich als Spielerin. Zwar habe ich Turniere gespielt, wenn ich konnte, und an meinem Schach gearbeitet, aber ich bin bis heute auch Trainerin, die sich um ihre Schützlinge kümmert, Lektionen vorbereitet und hält. Mein Schach und meine Arbeit als Trainerin liefen und laufen parallel. Mit meinem Schach hilft mir jetzt Samuel sehr als Trainingspartner. In Zukunft würden wir gern eine Schachschule eröffnen. 

Nach dem Überfall auf die Ukraine bist du nach Deutschland geflohen – und bist hier glücklich? 

Ja. Für mich fühlt es sich an, als hätte ich meinen Platz auf der Welt gefunden.  

Deutsche Meisterin 2023: Kateryna Dolzhykova mit DSB-Präsidentin Ingrid Lauterbach. | Foto: DSB

Gerade bist du Deutsche Meisterin geworden. Du hast das Feld um einen Punkt distanziert.  

Ja, es war eine kleine, angenehme Überraschung, dass es so gut gelaufen ist. Aber vor allem war es das Ergebnis der harten Arbeit, die ich investiert hatte. In den zwei Monaten zuvor habe ich jeden Tag mehrere Stunden mit der Vorbereitung verbracht. Dass ich tatsächlich gewonnen habe, war ein schönes Erfolgserlebnis.  

Du bist die Nummer drei der deutschen Rangliste und hast schon öffentlich durchblicken lassen, dass du in die Nationalmannschaft möchtest. 

Das ist mein Wunsch, mein Ziel, und es wäre mir eine Ehre, als Teil der Nationalmannschaft Deutschland zu vertreten. 

Ist dein Wunsch auf offene Ohren gestoßen? 

Jetzt bin ich erstmal Deutsche Meisterin und eingeladen, im nächsten Jahr am “Masters” teilzunehmen. Darüber hinaus gibt es noch keinen Kontakt mit dem Verband, vielleicht nächstes Jahr. Ich hoffe, dass es klappt. 

Niemand Offizielles hat mit der Deutschen Meisterin und Nummer drei der deutschen Rangliste über die Nationalmannschaft gesprochen? Das finde ich überraschend.  

Im Moment ist es nur mein Wunsch, und ich versuche, so gut Schach zu spielen, wie ich kann. Im November trete ich bei der Deutschen Schnellschachmeisterschaft an und hoffe, gut abzuschneiden. Dann meldet sich hoffentlich jemand, und vielleicht klappt es ja im nächsten Jahr, dass ich Teil der Mannschaft sein kann. Mich würde das sehr freuen. 

Trittst du am Tegernsee genauso intensiv vorbereitet an wie bei der Deutschen Meisterschaft? 

Auf jeden Fall habe ich ein paar neue Ideen mitgebracht, die ich hier ausprobieren möchte. Natürlich bin ich ehrgeizig und möchte ein gutes Ergebnis erzielen. Ich werde mein Bestes dafür tun. 

Du bist ja schon mit einem Sieg gestartet. 

Das war weniger mein Sieg, mehr ein Geschenk meines Gegners (lacht). Drachenvariante, er hat seine Königsstellung geöffnet. Ich musste nicht viel tun, nur meine Dame rüberschwenken und mattsetzen.  

Dir fehlt noch eine IM-Norm. Du wärest die vierte Deutsche, die diesen Titel schafft. 

Ja, diese dritte Norm möchte ich gerne schaffen. Zuletzt war ich mehrfach ganz nahe dran. Und mittelfristig wollen wir mal schauen, ob ich nicht auch GM-Normen packen kann. Aber das ist Zukunftsmusik. Schritt für Schritt, erstmal die dritte IM-Norm. 

Kateryna Dolzhykova in der Wikipedia

Dolzhykova ist Deutsche Meisterin – Schachbund

Kateryna Dolzhykovas bester Zug – FAZ

Dolzhykova will mehr – Perlen vom Bodensee

Noch weitgehend unbemerkt von der nicht speziell interessierten Weltöffentlichkeit entsteht in Kasachstan ein Schachwunder. Ein Beispiel dafür sehen wir gut 1.700 Kilometer vom Tegernsee entfernt auf der Isle of Man. Dort mischt gerade ein nicht einmal speziell interessierten Beobachtern bekannter kasachischer IM mit 2447 Elo die Weltspitze auf.

Liya Kurmangaliyeva. | Foto: Sandra Schmidt

Bei der OIBM mögen wir in der zweiten Runde den Beginn eines ähnlichen Phänomens gesehen haben. Liya Kurmangaliyeava aus Kasachstan, Elo 2236, repräsentiert die weibliche Seite des kasachischen Schachwunders. Mit Schwarz hat sie jetzt die nominelle Nummer eins des Turniers am Tegernsee besiegt, Großmeister Maxime Lagarde, Elo 2626. Und das in einer ausgekämpften Partie, in der sie diejenige war, die sich großmeisterlich Vorteil erarbeitet und diesen verwertet.

An den Spitzenbrettern geht es stürmisch zu, auf dem See auch. | Foto: Sebastian Siebrecht

“Starken Wellengang auf dem Tegernsee” hat Turnierdirektor Sebastian Siebrecht fotografisch festgehalten, ein Symbolbild für stolpernde und strauchelnde Favoriten an den oberen Brettern, die neben diesem ganzen manchen halben Punkt ließen. Der Favoritensturz des Tages: